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In jedem Jahr danken wir Mitglieder, die dem DJV schon seit 25, 40, 50, 60, 65 oder sogar 70 Jahren die Treue halten.
Einige der 2022 geehrten Kolleginnen und Kollegen stellen wir Ihnen hier vor, jeweils in ihren eigenen Worten zu Werdegang und Erfahrungen - und auch mit Appellen.
Sebastian BELLWINKEL - 25 Jahre

Wenn ich nach 30 Jahren im Journalismus und 25 Jahren im DJV ein Fazit ziehen sollte, dann dieses: Journalismus ist für mich Handwerk, Handwerk und noch mal Handwerk. Und das gebe ich heute auch jungen Kolleg:innen mit, die mich nach Tipps fragen.

Mein eigener Werdegang begann nach dem Abitur mit vielen Praktika und dann freier Mitarbeit: erst Lokalzeitung, dann F.A.Z.; erst Hochschulradio, dann WDR; nach dem NDR-Volontariat: erst Reporter im Tagesaktuellen, dann Autor für Reportage und Doku. Klein anfangen, Erfahrungen sammeln, besser werden. Stück für Stück. Und immer dazulernen wollen. Ich habe zig Seminare besucht, mich auch noch als vielbeschäftigter Reporter weitergebildet. Und wenn es nur dazu war, um den Erzählsatz oder anderes Basiswissen zu vertiefen.    

Unsere Branche ist voll mit Redakteursfloskeln à la „das holt mich jetzt nicht ab“, „das finde ich nicht so gut“ – es ist oft ein abstraktes Argumentieren mit Bauchgefühl. Besser wäre es, konkret zu sagen, warum z.B. eine Hauptfigur nicht funktioniert, evtl. hat sie die falschen Attribute oder keine nennenswerte Herausforderung oder, oder. Konkret handwerklich formulieren, so wie ein Klempner konkret die Muffe benennt, in die das Teilstück c) nicht passt. Eine so klare Kommunikation würde Arbeits- und Abstimmungsprozesse verschlanken, das Produkt besser machen und am Ende vor allem denen dienen, für die wir täglich produzieren: den Zuschauer:innen, den Hörer:innen und den User:innen.

Da ich seit einigen Jahren selber Seminare gebe (u.a. für TV-Dramaturgie), weiß ich: es gibt in vielen Medienhäusern und Redaktionen handwerklich noch Luft nach oben. Noch immer.

(Foto: Roland Magunia)

Kristina DUVENECK - 25 Jahre

Als ich vor 25 Jahren beim Fernsehen angefing, hatte ich wenig Ahnung davon, was diese Branche so für mich bereithält. So habe ich mit ihr alle möglichen Höhe und Tiefen erlebt und sehr viel gelernt. Das größte Geschenk war und ist, durch meinen Job unfassbar viele interessante Menschen kennenlernen zu dürfen, Orte zu sehen, die ich sonst niemals bereist hätte und vor allem auf meinen Drehs meine Passion zum Bewegtbild mit großartigen Kolleg*innen teilen zu können. Aber ich habe auch gelernt, die Bedingungen, die besonders für freie Journalist*innen oftmals vorherrschen, nicht immer hinnehmen zu müssen. Es ist wichtiger denn je, sich mangelnder Wertschätzung, Dumping-Honoraren und schlechten Produktionsbedingungen entgegenzustellen. Ich würde mir wünschen, dass sich besonders freie (Fernseh-)Autor*innen noch besser vernetzen und an einem Strang ziehen, um eine positive Entwicklung in diesen Bereichen herbeizuführen. Der Schlüssel ist, wie in so vielen Bereichen, meist die Kommunikation - und hier können alle Gewerke eine Schippe drauflegen.

(Foto: Helen Fischer)

Aina KELLER - 25 Jahre

Zwei Berufe, ein Leben. Als Fachjournalistin für Gastronomie, Hotellerie und Catering war ich von Beginn an „zweigleisig“ unterwegs. Mein Redaktionsvolonariat habe ich 1992 begonnen, im Rhenania Fachverlag, der damals noch zum Hamburger Jahreszeiten Verlag gehörte. Da hatte ich schon eine abgeschlossene Berufsausbildung hinter mir, war Hotelfachfrau (Atlantic Hotel Kempinski Hamburg) mit Auslandsjahren und Hotelbetriebswirtin (Hotelfachschule Heidelberg). Unvergessen aus meiner Volontärszeit: ein Terrassen-Workshop mit Wolf Schneider in der Akademie für Publizistik – ich mag den.

Anfang 1997 machte ich mich selbstständig, weil man „mein“ Magazin und mich gleich mit eingestellt hatte. Aus „mal ein, zwei Jahre ausprobieren“ wurden 25 Jahre Freelancing – bis heute und still running. Über irgendetwas anderes zu schreiben als Gastronomie & Co. kommt mir nur schwer in den Sinn. Es gab mal einen Abstecher ins Corporate Publishing einer Automarke, aber das ist Geschichte. Seit 30 Jahren sind Essen, Trinken, Schlafen meine Schreib-Themen. Und nie waren sie so unstet, abwechslungsreich und fordernd wie in den vergangenen zwei Jahren.

Der Grat zwischen Redaktion, Avertorial und Sponsoring ist manchmal sehr schmal im Fachjournalismus, das sollte allen klar sein, die sich mit dem Thema beschäftigen. Auf der anderen Seite glänzt – für mich persönlich – die Medaille mit Storytelling, profunden Reportagen und großer Nähe zu einer Branche, die ich sehr liebe. Wer weiß denn schon, dass es eine Köchenationalmannschaft gibt, und wer findet sich hinter den Kulissen großer Hotels zurecht?

Wenn ich in einem Hotel einchecke, möchte ich auf die andere Seite der Rezeption wechseln, und im Restaurant muss ich mich selbst ermahnen, nicht versehentlich den Tisch abzuräumen.

25 Jahre DJV-Mitgliedschaft sind für mich auch 25 Jahre Selbstständigkeit in meinem Doppel-Traumberuf.

textvision.jimdo.com

(Foto: privat)

Peter KLEINORT - 25 Jahre

Nach 33 Jahren im Journalismus kommt mir zunächst Heraklits „Nichts ist so beständig wie der Wandel“ in den Sinn. Die Arbeitsbedingungen, die Methoden, die Darstellungsformen, die Art, wie Journalist:innen heute arbeiten, haben sich in dieser Zeit beständig verändert und sind durch die Digitalisierung gehörig durcheinandergeschüttelt worden. Seit Kurzem erlebt die Medienwelt und die in und mit ihr Arbeitenden noch einmal eine Veränderung, die nahezu disruptiv ist. Aber trotz aller positiven Entwicklungen wie auch der Verwerfungen unseres Berufs bleibt doch eines sehr beständig: Das handwerkliche Können, um mit den Mitteln von Sprache, Schrift und Bild Menschen zu vermitteln, was um sie herum geschieht. Handwerkliches Können und journalistisches Ethos sind heute vielleicht wichtiger denn je.

Als ich 1989 mit meinem ersten Artikel in einer kleinen Lokalzeitung startete, konnte ich die verschlungenen Wege meines eigenen Berufslebens noch nicht erahnen. Das Volontariat beim „Donaukurier“ in Ingolstadt begann 1996 noch ganz klassisch: Lokales, Bayern, Korrespondentenbüro in München, Politik und Seite 1. Dazu noch Lichtsatz, Ganzseitenumbruch, Korrektoren und Schlussredaktion, Entwicklung von Fotos in der Dunkelkammer. Aber sehr schnell kam das Angebot, „etwas Neues auszuprobieren: Internet“. Zusammen mit dem Produktionschef bastelte ich jeden Abend unter heute unvorstellbaren technischen Bedingungen eine Website zusammen. Seitdem gehören „Print und Online“ als feste Pfeiler zu meinem Berufsalltag – mit allen Entwicklungsschritten, die uns bis in unsere heutige digitalisierte Welt geführt haben.

Beständiger Wandel begleitete mich aber auch in anderer Hinsicht: Mehrmals habe ich die Schreibtischseiten gewechselt. Das war 1996 für viele Kolleginnen und Kollegen noch ein absolutes Tabu. Heute bestimmt es journalistische Werdegänge. Nach dem Volontariat und ersten Jahren als Redakteur in Ingolstadt kam 2000 der Ruf zur sich neu gründenden „Financial Times Deutschland“ nach Hamburg. Von dort ging es als stellvertretender Senats- und Behördensprecher in die Hamburger Landespolitik. Danach wieder Journalismus und Newsdeskaufbauarbeit bei der „Deutschen Verkehrs-Zeitung“ und dem „Täglichen Hafenbericht“. Im Anschluss eine Tätigkeit als PR-Redakteur für eine Agentur. Und jetzt kümmere ich mich als Redakteur um Content Management bei der Handelsblatt Media Group in Hamburg. Dazwischen immer wieder freiberufliche Phasen als Journalist und Kommunikationsberater. Und seit 2013 rundet ein Lehrauftrag an der Hochschule Bremerhaven mein berufliches Portfolio ab.

Mit jeder neuen Tätigkeit kamen neue Herausforderungen, neue Erfahrungen, neu Gelerntes und Menschen, die ich in all ihrer Vielfalt kennenlernen und begleiten durfte. Das ist eine der schönsten Erfahrungen, die ich machen durfte und die ich versuche, weiterzugeben: Offenheit und Neugier. Kein Stillstand, keine dumpfe Routine, sondern jeden Tag neu gestalten.

(Foto: Sybille Kramer)

Holmer KNOERZER - 50 Jahre

Schon zu Jugendzeiten erste journalistische Schritte bei der Hessischen Algemeinen. Nach Militär- , Studienzeit und kurzem Volontariat seit Anfang 1970 Redakteur bei der HNA in Kassel. Als Redaktionsleiter Bezirksredaktionen Niedersachen 1972 Eintritt in DJV und erste Tätigkeit für Rundfunk und Fernsehen.

Vor allem aber seit 1974  aktiver und immer noch guter Golfspieler. In diesem Zusammenhang das erste Reise-Golfbuch der Welt 1985 veröffentlicht, danach noch etwa ein Dutzend andere.

Erste Magazin- und Buchveröffentlichung in den 70er Jahren. Seit 1974 (Ende Vietnamkrieg)  begeisterter Golfspieler und – oft gemeinsam mit meiner 2011 verstorbenen Ehefrau Ingrid – weltreisender Reportage-Chef und Sonderkorrespondent für Zeitungen und TV, in Krisenregionen allein oder zusammen mit hervorragenden Kollegen.  Für zahlreiche Berichte, Reportagen und TV-Beiträge wurde ich mit größeren Journalisten-Preisen geehrt und ausgezeichnet.

1990/91 habe ich mich mit einem kleinen und feinen Medienunternehmen selbstständig gemacht, dem ich den Namen meines Lieblingstieres, des Elefanten, TEMBO-Medienbüro gegeben  habe.

Ich habe – das ist die Bilanz meines Berufslebens, das sich nahezu komplett mit meiner Mitgliedschaft im DJV deckt -  ein großartiges und erfülltes Berufsleben gehabt, bin äußerst dankbar dafür, dass ich nicht nur Gelegenheit hatte oder vor Ort zu sein, wo sich historische Ereignisse abspielten in Afrika, Amerika, Asien und Europa, sondern auch in den vergangenen 50 Jahren die gesamte Entwicklung im Zeitungsherstellungsbereich – vom Blei zum Computer – miterleben und nutzen konnte und mit fast 80 auch immer noch nutze.

Zum Schluss noch zwei glückliche Gedanken:

1.Mit meinem ehemaligen Chef der Lübecker Nachrichten, Dr. Günter Semmerow, den ich mit Putt-Wettbewerben auf Redaktionsfluren 1988 für das Golfspiel gewonnen habe – nach seiner Verrentung hat er dann tatsächlich vor 15 Jahren mit dem Spiel angefangen – bin ich heute noch befreundet, und wir spielen oft im MARITIM Golfpark  Warnsdorf an der Ostsee.

2. Immer wieder werde ich als fast 80jähriger von meiner journalistischen und menschlichen Vergangenheit eingeholt. Ehemalige Freunde, Verleger und TV-Producer erinnern sich an mich, meine Reportagen, Berichterstattungen und investigatorischen Leistungen. Oft werde ich gebeten, an aktuellen Produktionen als Zeitzeuge oder journalistischer Experte teilzunehmen und Erfahrungen weiterzugeben, zuletzt im Mai 2022 bei einer ZDF-History-Dokumentation über „Liebesmorde – Marianne Bachmeier“.

Dafür bin ich dankbar – und auch ein wenig stolz. Es war und ist schön Journalist zu sein. Deshalb bleibe ich es auch noch eine Weile.   

(Foto: privat)

Jan KÖHLER-KAESS - 50 Jahre

1972 wesentliche Ereignisse

Ich trat in den DJV ein, Bundeskanzler Willy Brandt übersteht ein Misstrauensvotum, es gibt den ersten Linienflug der Aeroflot zwischen Moskau und Berlin und ein erstes Handelsabkommen mit der UDSSR. Großbritannien, Irland, Norwegen und Dänemark treten der EU bei. Die RAF verbreitet Angst und Schrecken. Computer sind riesige Gebilde mit unzähligen Kabeln und Röhren und einer Leistung, die heute jedes Handy übertrifft, an das wird damals noch gar nicht gedacht. Ich war noch nicht einmal Dreißig und machte eine abenteuerliche Reise durch die Sahara und eine Reportage über die Eisenbahnstrecke von Ouagadougou (Burkina Faso) nach Abidjan. Dann gab es noch die Olympischen Spiele in München, bei denen Ulrike Meyfarth (16) die Goldmedaille mit 1,92 im Hochsprung holte und es gab einen palästinensischen  Anschlag auf das olympische Dorf der mit vielen Toten endete. Es gibt noch vieles, an das man sich erinnern kann, jeder mag selbst mal blättern. Der Beruf des Bildjournalisten, mein Beruf hat sich seitdem vollständig verändert. Die wohl folgenreichste Veränderung ist, dass praktisch jeder, immer und überall ein einigermaßen anständiges Foto machen kann und dies auch tut. Es gibt keine Filme (was war das nochmal) mehr, die Empfindlichkeit der Speichermedien ist fast unbegrenzt. Das Foto kann bis zum Punkt manipuliert werden und seine Verbreitung weltweit ist in Sekunden möglich. Manomann, wer hätte das gedacht. Möglichkeiten mit Bildern Geld zu verdienen wurden so immer schwieriger und die Honorare immer geringer. Ich selbst hab in verschiedenen Gremien an Tarifverhandlungen teilgenommen, und etliche Sitzungen unseres Fachausschusses Foto besucht, zehn Jahre punktuell im Kulturwerk mitgearbeitet und früh für die Zusammenlegung von den Landesverbänden des Nordens geworben, was mit lange Jahre Prügel einbrachte, solange bis man es eben machen musste. Allen jungen Kollegen wünsche ich Freude am Beruf und dem DJV, dass er noch lange besteht.

Jan Köhler-Kaeß

JKK

auch Auge von Kiel

Ursula SCHMELING - 40 Jahre

Die grössten Herausforderungen für Journalisten m.E. heute: der Kosten- und Zeitdruck sowie das schwindende Qualitätsbewusstsein und Fachwissen in den Medien (eine Journalistenausbildung allein reicht eben nicht; Jugend und Enthusiasmus gleichen mangelndes Fachwissen nicht aus), eine mangelnde Abgrenzung zwischen PR und echtem Journalismus, überbordendes tendenzkonformes Schreiben, die Flut von Copy-paste- und Anzeigen getriebenen Artikeln, insbesondere in der Fachpresse. Ich wundere mich, wie sehr die Bürger, selbst Geschäftsleute, immer noch Medienaussagen vertrauen. Das Vertrauen scheint mir oft leider nicht gerechtfertigt.

War früher alles besser? In den 80er Jahren habe ich als freie Journalistin auf jeden Fall mehr verdient als Freie heute und hatte niedrigere Kosten. Anzeigenabteilungen hatten weniger Einfluss auf redaktionelle Inhalte. Dafür gab es mehr Einladungen von Firmen, Organisationen und Institutionen. Die Artikel auf Basis von fremdfinanzierten Reisen wurden selten gekennzeichnet. Das wäre heute politisch nicht korrekt. Aber sie ermöglichten Journalisten, Erfahrungen aus erster Hand zu sammeln. Heute verlässt so mancher Journalist – gewollt oder ungewollt - kaum noch sein Büro. Darüber hinaus wird von vielen Fachmedien verlangt, dass er/sie nicht nur schreiben kann, sondern auch Fotograf und Layouter sein muss und darüber hinaus Verkaufstalent haben sollte. Es wäre besser eins gut zu machen, als alles irgendwie mittelprächtig. Ich bedaure diese Entwicklung.

(Foto: privat)

Monika SCHMITZ - 25 Jahre

Während meiner bisherigen Tätigkeit als Redakteurin war ich hauptsächlich als Filmkritikerin aktiv. Ich habe großen Respekt vor der Kunst des Filmemachens, weil es ihr gelingt, Menschen auf viele verschiedene Arten zu berühren. Vor knapp zwei Jahren bin ich in die Pressestelle eines Universitätsklinikums gewechselt. Hier begegnen mir ganz neue Themen, vor denen ich ebenso Respekt habe. Medizinische Forschung, Patientenversorgung und Gesundheit haben letztendlich eine Relevanz für uns alle. Respekt halte ich für eine der grundlegenden journalistischen Tugenden – und im gesellschaftlichen Umgang ist er (mir) ebenso wichtig. An dieser Einstellung hat auch die Digitalisierung nicht gerüttelt, und alle Medienformate und -kanäle, die noch kommen werden, werden daran nichts ändern.

(Foto: privat)

Prof. Dr. Siegfried WEISCHENBERG – 50 Jahre

Als ich zu ‚Millenium’-Zeiten Bundesvorsitzender des DJV war, schien die Welt des Journalismus noch in Ordnung zu sein. Jedenfalls könnte man dies mit dem zeitlichen Abstand von rund zwei Jahrzehnten so sehen. Damals gab es in Deutschland deutlich mehr Journalistinnen und Journalisten als heute. Sie hatten (cum grano salis) einen einigermaßen sicheren Arbeitsplatz. Die meisten Medien und ihre Akteurinnen und Akteure konnten davon ausgehen, dass das Publikum der Berichterstattung bis zu einem gewissen Grade vertraute. Die Mitgliederzahl im Verband bewegte sich auf die 40.000er Marke hin.

Schon in den Jahren danach veränderte sich Vieles und heute haben wir im Journalismus Verhältnisse, welche gewisse nostalgische Gefühle provozieren, wenn man an damals zurückdenkt. So handelte sich der politische Journalismus der ‚Berliner Republik’ 2005 heftige Kritik ein, weil er bei der Bundestagswahl allzu sehr auf den ‚Neoliberalismus’ gesetzt hatte. Zur selben Zeit zeigten Studien zum ‚Journalismus in Deutschland’, dass immer weniger Freie (allein) vom Journalismus leben konnten, dass die Tarifbindung erodierte und das vertraute Geschäftsmodell insbesondere der Presse nicht mehr funktionierte.

In der Finanzkrise 2008 wurde dem Wirtschaftsjournalismus Versagen vorgeworfen und im Jahrzehnt danach dann der ganzen Branche von einem Teil des Publikums attestiert, dass man ihr nicht mehr vertrauen könne, weil sie viel zu oft nichts anderes als ‚Fake News’ produziere. Immer häufiger war von ‚Lügenpresse’ die Rede. Schließlich gab  es 2018 den GAU, als dem Spiegel-Redakteur  Claas Relotius die Fälschung von diversen Reportagen nachgewiesen wurde. Und in den letzten Jahren hat sich in der alternativen Szene von Internet-Plattformen eine radikale Medienkritik etabliert, die den deutschen Journalismus in Grund und Boden verdammt. Buchtitel wie „Das Elend der Medien“ oder „Zombie-Journalismus“ sind hier selbst erklärend.

Diese wenig aufmunternde Beschreibung zur Lage muss man freilich differenzieren. Nach wie vor gibt es hervorragenden Journalismus in Deutschland. Viele junge Journalistinnen und Journalisten sind besser ausgebildet als die Generationen vor ihnen. Frauen haben inzwischen – quantitativ, aber auch qualitativ (Leitungsfunktionen) – einen ungleich größeren Stellenwert als vor 20 Jahren. Gewiss ist Deutschland im Pressefreiheits-Ranking von ‚Reporter ohne Grenzen’ in die Gruppe ‚zufriedenstellend’ zurückgefallen, während die Verhältnisse in Skandinavien, aber auch z. B. in Portugal oder  der Schweiz als ‚gut’ klassifiziert werden. Aber im Vergleich zu vielen anderen Ländern lebt der Journalismus in Deutschland immer noch auf einer ‚Insel der Glückseligen’ – auch wenn unerträglich ist, in welcher Weise heutzutage Journalistinnen und Journalisten von Leuten attackiert werden, die anderer Meinung sind. Sorgen bereitet auch, dass (nicht zuletzt deshalb!) der Beruf inzwischen bei jungen Menschen deutlich an Attraktivität verloren hat. Es kann einer demokratischen Gesellschaft nicht egal sein, wenn der Nachwuchs Aufklärung und Orientierung im Rahmen aktueller Berichterstattung nicht mehr als eine Aufgabe betrachtet, für die man brennen kann. Dafür müssen freilich die Bedingungen der Berufsausübung akzeptabel sein.

Das, was man aktuell beobachten kann, ist freilich nicht vom Himmel gefallen. Als ich im November 1999 – beim Jubiläums-Verbandstag der DJV, der in Bonn seinen 50. Geburtstag feierte – gewählt wurde, bewegte der Streik des Redaktionspersonals bei der Sächsischen Zeitung in Dresden die Gemüter. Der Verlag Gruner + Jahr probierte seinerzeit schon aus, wie man sich durch Kündigung der Tarifbindung für Redakteure und Outsourcing von Lokalredaktionen kostenmäßig einen schlanken Fuß machen konnte. Ich bin damals noch während des Verbandstags nach Sachsen geflogen, um die Streikenden der Solidarität des DJV zu versichern. Ihr Ausstand, angeblich der längste Vollstreik in der deutschen Redaktionsgeschichte, konnte dann das Schlimmste verhindern.

Sichtbar wurde aber, wohin die Reise der ganzen Branche gehen würde – und was blühte, wenn es nicht gelänge, die Finanzierung der (Print-) Medien auf ein solideres Fundament zu stellen. An dieser Herausforderung hat sich bis heute nichts geändert; sie führt zu einer permanenten Medienkrise. Eine zweite Herausforderung bedroht den Beruf im gleichen Maße: Der Journalismus müsste sich – gerade auch angesichts der Konkurrenz durch die sogenannten ‚Sozialen Medien’ – die größte Mühe geben, viel mehr als bisher für seine Legitimation zu werben. Gerade in diesen Zeiten sollte er immer wieder unter Beweis stellen, dass man ihn braucht, damit die demokratische Gesellschaft funktionieren kann. Nur so kann man im Medienkrieg bestehen, den Gruppen in der Bevölkerung seit einigen Jahren inszenieren. Sie haben mehr Mitglieder als die ‚Corona-Leugner’ und ‚Putin-Versteher’, welche im öffentlichen Diskurs mit großem Geschick Aufmerksamkeit erregen.

Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass der Sportjournalismus eine Art Frühwarnsystem für bedenkliche Entwicklungen des gesamten Berufs darstellt. So war es etwa bei der Boulevardisierung, die zuerst in den Sportteilen und-programmen sichtbar wurde und dann auf den gesamten Beruf übergriff.

An dieser Stelle können wir deshalb zum Schluss noch einen direkten lokalen Bezug für unsere Situationsbeschreibung herstellen: In Hamburg zeigen sich seit Jahren bei der Berichterstattung über den HSV gewisse Niedergangs-Tendenzen, die wohl mit dazu beitragen, dass dieser Verein in ganz Deutschland inzwischen ein Image kreiert hat, das mit ‚schwierig’ noch sehr euphemistisch beschrieben ist. Denn ein großer Teil der ‚Sportler’ in den Hamburger Medien geriert sich hier seit längerem nicht als Beobachter, die kritische Distanz zu ihrem Objekt praktizieren, sondern als Fans, die ihre Aufgabe missverstehen; sie wollen ‚ihren’ Verein offenbar in den Abgrund begleiten. Ihr verqueres Rollenverständnis lernt man z. B. bei den Pressekonferenzen des Zweitligisten kennen.

Grundsätzlich: Wer nicht kritisch fragen kann, wer sich lieb Kind bei Funktionären machen will, wer sich gemein macht mit einer (hier: schlechten) Sache, hat im Journalismus nichts verloren.

(Foto: privat)

Heiko WISCHER – 25 Jahre

Nach rund drei Jahrzehnten im Journalismus und in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit stelle ich bei allen Veränderungen immer wieder fest, dass es in beiden Feldern nach wie vor auf handwerkliches Können, Interesse an Themen und gut aufbereitete Informationen ankommt. Nach einem Volontariat beim Mindener Tageblatt zu Beginn meiner Berufslaufbahn war ich neben und nach meinem Studium der Germanistik und Geschichte mit viel Leidenschaft beim NDR-Hörfunk in Kiel und später in Hamburg bei NDR Info tätig. Nach dem Wechsel auf die „andere Seite des Schreibtisches“ haben mir die seinerzeit gemachten Erfahrungen und das Wissen darum, worauf es im Nachrichtengeschäft ankommt, oft geholfen. Ob in den Jahren als Pressesprecher des Landessportverbandes Schleswig-Holstein oder – seit 2011 bis heute – in der Konzernkommunikation der Provinzial Nord und der Hamburger Feuerkasse. Dass die Bedingungen für Journalistinnen und Journalisten heute sicherlich vielfach gerade im Lokaljournalismus – und besonders für „Freie“ - härter geworden sind, ist keine Frage. Der DJV Nord bietet gerade jungen Kolleginnen und Kollegen Möglichkeiten, Netzwerke zu bilden und sich so gegenseitig zu unterstützen. Es ist zu wünschen, dass davon noch stärker Gebrauch gemacht wird. Der Zusammenschluss der Landesverbände bietet hier gewiss neue Möglichkeiten.

(Foto: Pat Scheidemann)