Nord-Mitglieder im Bundesfachausschuss Zukunft:
„Wir wollen den DJV zum Taktgeber der Branche machen – und alle profitieren“
Das Zukunfts-Trio des DJV aus dem Norden: Lucie Kluth, Gregor Landwehr und Angela Ölscher (v.l.) (Foto: Nicola Malbeck)
Gregor Landwehr, Angela Ölscher und Lucie Kluth aus dem DJV Hamburg und Schleswig-Holstein engagieren sich im neuen Bundesfachausschuss Zukunft. Der „FA“ berät den Bundesvorstand zur Zukunft des Journalismus und des DJV und schlägt vor, den Verband in vielen Bereichen kräftig zu modernisieren. Ein umfangreiches Ideenpapier liegt vor. Im Gespräch mit der NORDSPITZE berichten die drei Nord-Mitglieder, wie die Arbeit vorangeht und warum weitere Mitstreiter willkommen und wichtig sind.
Alles anders, alles neu? Der FA Zukunft setzt sich für einheitliche Mitgliedsbeiträge ein und möchte föderative Mehrfachzuständigkeiten abbauen, dazu Ehrenämter und überhaupt den DJV attraktiver machen. Unser Interview findet am Abend im Café eines Coworking-Komplexes in Hamburg statt, in dem Georg Landwehr einen „Office Space“ gemietet hat. Während die Geschäfte draußen gerade schließen, brennt hier in fast jedem Büro noch Licht. Der Ort ist exemplarisch für den Alltag vieler Medienschaffender: frei, auf eigene Kosten und Risiko und mit Arbeitszeiten wider aller Gewerkschafts-
empfehlungen. Sollte diese Gegenwart im DJV noch nicht angekommen sein?Seit wann und wie arbeitet Ihr im Fachausschuss Zukunft? Gregor Landwehr: Offiziell erst seit April 2018. Zuvor hieß der Ausschuss „Junge“. Nach der vom Verbandstag beschlossenen Strukturreform wurde auch der Name geändert.Angela Ölscher: Wir sind insgesamt zwölf Mitglieder aus fast allen Landesverbänden. Gewählt wurden wir vom Gesamtvorstand für zwei Jahre.Lucie Kluth: Neben regelmäßigen Treffen organisieren wir aber auch weiterhin die Fachtagung „24 Stunden Zukunft“, die alle zwei Jahre stattfindet. Der DJV feiert in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen. Wo steht der Verband aus Eurer Sicht aktuell, wie wird er wahrgenommen? Gregor: Die klassische Gewerkschaftsarbeit hat sich stark verändert – Bilder von wehenden roten Fahnen kenne ich fast nur noch von Fotos. Heute sind wir ein Verband von Medienschaffenden. Nicht mehr Tarifabschlüsse, sondern Themen wie Urheberrecht und Informationsfreiheitsgesetze stehen im Vordergrund.Lucie: Früher gab es viele Festverträge, das hat sich bei den jüngeren Generationen in freie Berufstätigkeit verschoben. Tarifverhandlungen haben da automatisch Grenzen, andere Themen werden wichtiger. So hat sich auch das Bild des Journalisten verändert.Dieser Wandel ist im DJV noch nicht angekommen? Gregor: Meinen ersten DJV-Stammtisch-Besuch hatte ich noch in Baden-Württemberg in einer Wirtshausstube mit drei älteren Herren. Deren Arbeitsfeld hatte mit der Art, wie ich arbeitete, überhaupt nichts zu tun. Die Medienbranche, die Produktionsabläufe oder auch die Medienarten haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Da ist es gerade für jüngere Mitglieder ein Problem, dass der DJV nicht in dem Tempo mitgekommen ist.Angela: Unser Ideenpapier ist jedoch nicht ausschließlich dafür da, die Freien besser im Verband einzubinden. Der Berufsalltag von allen hat sich massiv geändert.Wie definiert Ihr im Ideenpapier „Der neue DJV“ Journalismus – auch im Hinblick auf potenzielle neue Mitglieder? Gregor: Weil sich Berufsbilder ändern oder neu entstehen, ist unser Ansatz, die Berufsbezeichnung daran auszurichten, was genau gemacht wird. Journalismus ist ein Produktionsprozess. Auch Podcaster, Youtuber oder Blogger zählen dazu, wenn sie nach handwerklich vorgegebenen Kriterien arbeiten. Influencer, die nur Werbebotschaften verbreiten, nicht.Angela: Wichtig ist, was und wie gearbeitet wird. Heute gibt es Verlagshäuser, die bewusst auf den Titel Redakteur verzichten, um weniger zu bezahlen. Es kann nicht sein, dass wir die Kollegen dann nicht aufnehmen. Wir verschrecken neue Mitglieder, wenn sie sich rechtfertigen müssen, dass sie Journalisten sind. Jemand, der nach allen journalistischen Werten einen guten Youtube-Blog macht, damit aber kein Geld verdient, weil er die Werbevermarktung von Youtube ablehnt, muss man den nicht auch aufnehmen?Sollte der DJV den Zugang für neue Mitglieder generell breiter öffnen? Gregor: Es sollte zumindest Nachwuchsjournalisten möglich sein, zu uns zu kommen. Manche Landesverbände nehmen Studenten auf oder bieten Schnuppermitgliedschaften an, andere nicht. Angela: Fast alle Verbände verlangen beispielsweise, dass ein Großteil des Einkommens aus journalistischer Arbeit kommen muss. Das funktioniert oft nicht. Damit schließen wir auch viele Gründer aus, die noch in der Anlaufphase sind.Gregor: Oder alle, die Berufe kombinieren, die journalistisch und zum Beispiel im Webdesign arbeiten. Das ist ja die Realität. Ist es wirklich noch modern, nach dem Einkommen zu gehen – oder sollte die Zeit zählen, die Kollegen pro Monat aufwenden?Was ist die wichtigste Botschaft des Zukunftspapiers? Lucie: Dass der DJV einheitlich nach außen auftritt, eine Anlaufstelle und eine Beitragsstruktur hat. Wenn mich Kollegen etwa auf Medientagen fragen, wie sie in den DJV eintreten können und was das kostet, kann ich das gar nicht genau beantworten. Einfacher wäre es zu sagen, melde dich bei djv.de an.Angela: Wir wollen nicht alles verändern. Aber es muss deutlicher werden, dass wir ein DJV sind. Es sollen sich mehr Kolleginnen und Kollegen involviert fühlen, und der Weg zu uns muss einfacher werden. Es kam schon vor, dass zwei Landesverbände in einem dritten Landesverband eine Veranstaltung durchgeführt haben – entsprechend war die Gastgeberliste dann 15 Zeilen lang. Der DJV als Veranstalter tauchte gar nicht auf …Gregor: … und dazu gab es drei verschiedene Logos von drei DJV-Landesverbänden. Aber wenn wir mehr Mitglieder bekommen wollen, müssen wir nach draußen gehen. Was nicht geht mit diesem Sammelsurium an Logos, Designs und Richtlinien. Die föderalistische Struktur hatte früher ihre Begründung, ist aber jetzt in manchen Bereichen einfach ein Problem.Wie wird Eure Arbeit im Verband aufgenommen? Lucie: Als wir das Papier auf dem Verbandstag vorstellten, habe ich in den Reihen die Kritik gehört, dass wir nur für Junge da wären. Das war aber nie unser Ansinnen. Ich habe mich dann umgedreht und gesagt: „Das stimmt nicht.“ Dann war auch wieder gut.Angela: Ich denke, der Großteil der Mitglieder ist uns gegenüber generell positiv eingestellt. Verbesserungsvorschläge an einzelnen Punkten gibt es immer, die hören wir uns gern an.Wie geht es nun aktuell weiter, was sind die nächsten Schritte? Lucie: Unsere Anregungen umzusetzen. Aber wir sind nur der Fachausschuss und sind auf Hilfe von den DJV-Mitgliedern angewiesen. Deshalb planen wir ein Werkstattgespräch – die Zukunftswerkstatt, um die einzelnen Themen in einer größeren Gruppe durchzugehen. Wir möchten, dass möglichst viele Mitglieder mitmachen und mitdenken. Wir brauchen den Input von allen!Angela: Die Zukunftswerkstatt wird definitiv noch vor dem Sommer stattfinden. Und es sollen sich wirklich alle Kolleginnen und Kollegen melden, die Interesse haben, den neuen DJV mitzugestalten – egal welchen Alters. Bis zum nächsten Bundesverbandstag wird es dann diverse Anträge zur Abstimmung aus dem Papier geben und aus unserer gemeinsamen Arbeit. Darüber hinaus schlagen wir vor, einmal im Jahr eine große Veranstaltung zu organisieren ähnlich wie „Besser Online“, „24 Stunden Zukunft“ oder „Frau macht Medien“. Wir stellen uns vor, einen weiteren Treffpunkt mit Leuchtturmcharakter zu etablieren à la re:publica, der alle Themen im Medienbereich aufgreift und auf dem sich Blogger, Podcaster oder der Tagesschau-Moderator gleichermaßen wohlfühlen. Es soll das Event sein, das man nicht verpassen darf.Gregor: Ein wichtiger Aspekt für die Markenführung ist, dass diese Veranstaltung der Entwicklung nicht hinterherhinkt, sondern selbst Themen setzt und eine Plattform schafft, die vorausschaut, die zum Netzwerken einlädt.Lucie: Da schließt sich dann auch der Kreis. Wenn wir unsere Imagepflege mit einer einheitlichen Website beginnen und mit so einem Treffpunkt beenden, dann können wir sagen: Das ist der DJV! Einheitlichkeit ist zwar ein unmodisches Wort, aber ich bin mir sicher, dass es funktioniert und uns mehr Einheitlichkeit gut täte. Davon profitieren alle.
Das Interview führte Nicola Malbeck.
Die drei Interviewten: Lucie Kluth volontierte beim NDR und arbeitet nun bei dem Sender als feste Freie im Bereich Innenpolitik. Sie ist Beisitzerin im DJV-Landesverband Schleswig-Holstein.Angela Ölscher hat Kulturjournalismus studiert und arbeitet in der Produktion bei Spiegel Online. Sie ist Vorstandsmitglied im DJV-Landesverband Hamburg und engagiert sich dort im Mentoring-Programm.Gregor Landwehr absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Bankkaufmann, dann ein geisteswissenschaftliches Studium und ein Volontariat beim WDR. Aktuell baut der Neu-Hamburger das Start-up "Contentflow" auf, das Live Streaming-Technologien für den Medienbereich entwickelt.Mitreden per Mail oder in der „Zukunftswerkstatt“Im Fachausschuss Zukunft engagieren sich zwölf vom Gesamtvorstand gewählte Mitglieder aus unterschiedlichen Landesverbänden. Auf dem Bundesverbandstag im November 2018 in Dresden hat der Ausschuss ein Ideenpapier mit dem Titel „Der neue DJV“ vorgelegt – als Grundlage für eine Diskussion über die Zukunftsfähigkeit des Verbandes. Doch es sollen mehr Stimmen gehört werden: Alle DJV-Mitglieder sind aufgefordert und willkommen, sich einzubringen – einfach per E-Mail oder durch Teilnahme an der eintägigen „Zukunftswerkstatt“, die in Kürze ausgerichtet wird (wann und wo genau, ist aktuell noch in der Abstimmung). Dafür bewerben können sich Kolleginnen und Kollegen aus allen Landesverbänden, unabhängig von Alter, Anstellung oder beruflicher Spezialisierung. Die Teilnehmerzahl ist auf rund 40 begrenzt. E-Mail: zukunft@djv.de