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Fotograf*innen haben Namen

Unterhaltungsmedien weisen zu wenig die Urheber von Fotos aus

26.06.2022

So viele bunte Bilder - doch wer hat sie gemacht? Dieses Foto ist jedenfalls von Christina Czybik.

Eine Untersuchung des Bundesfachausschuss der Bildjournalisten und des Hamburger DJV bringt erschreckende Defizite ans Licht

Gedruckte Unterhaltungszeitschriften leben von Fotos. Sie locken die Leserinnen und Leser in den Text, reizen zum Kauf der Zeitschrift. Doch wie ist es um das Ansehen der Urheber, also der Fotografen und Fotografinnen bestellt? Das wollte eine Gruppe im Fachausschuss der Bildjournalisten und im Arbeitskreis Foto beim Landesverband Hamburg genauer wissen. Insgesamt haben sie 20 Zeitschriften ausgewertet. 1628 Seiten haben sie genau angesehen, 5396 Bilder und Illustrationen wurden gesichtet. Das irritierende Ergebnis: Nur 799 davon wurden mit dem korrekten Fotocredit, also dem Vermerk über den Urheber, versehen.

Dass die Unterhaltungsmedien bislang bei solchen Fotocredit-Auswertungen kaum berücksichtigt wurden, mag an ihrem mehr oder weniger guten Ruf liegen. Der so genannte seriöse Journalismus mag abschätzig darauf schauen. Fakt jedoch ist, dass Unterhaltungsmedien eine große Reichweite haben, zum Teil bedeutende Auflagen und meistens mehr als eine Leserin, einen Leser. Sie sind umsatzstark und deshalb für die Werbewirtschaft von hohem Interesse. Sie arbeiten intensiv mit journalistischen Bildern, mit Bildern mit journalistischem Bezug oder aus dem Zeitgeschehen.

Es gibt schon lange eine Veränderung auf dem Bildermarkt. Bei der Auswertung des DJV liegt der Fokus auf dem Magazinmarkt, speziell den Wochenzeitschriften der Unterhaltungsmedien, auch Yellow Press genannt.

Bedingt durch die Coronakrise gab es in den letzten zwei Jahren auch in diesem Segment gravierende Einschnitte: keine Events, keine Homestoriys, sehr wenig Paparazzi-Themen, keine Fernsehaufzeichnungen mit Fotografen. Inzwischen gibt es wieder Events, allerdings mit stark reduzierten Pressebildfotografen. Den Trend zur Veröffentlichung von Senderbildern oder Instagram-Content kann man schon länger beobachten.

Aber was sind eigentlich die Folgen des Ausschlusses von Pressefotograf*innen bei TV-Shows und anderen Events im Unterhaltungssegment? Am Anfang stehen die Fotografinnen und Fotografen. Ohne zugelassene Bildberichterstatter bekommen auch Pressebildagenturen kein Bildmaterial. Ohne diese Bildlieferant*innen greifen Medien auf das honorarfreie Material des Senders oder der Produktionsfirma zurück.

Das hat seitens der Sender und Veranstalter den Vorteil, dass kontrolliertes Bildmaterial mit ausgewählten Bildmotiven verschickt wird. In den Fotocredits werden dann die Sendernamen genannt.

Beispiel: Es gibt eine große Vielfalt an Wochenzeitschriften, die sich mit Unterhaltung beschäftigen. Die Anzahl der Instagram-Bilder und Senderbilder ist in den Coronajahren stetig gewachsen.

Was bedeutet das für die Presselandschaft?

Zeitschriften haben überwiegend nur noch eine Art von Bezugsquelle für Bilder: die Sender und Instagram. Eine Vielfalt an Bildsprache, Blickwinkel oder Momentaufnahmen gibt es nicht mehr, wenn es nur noch diese Art von Bildlieferanten bzw. Bildquellen gibt.

Zeitschriften können inzwischen mit Senderbildern und (Promi-)Instagram-Bildern über Monate hinweg seitenweise Geschichten bebildern: Lifestyle-Themen, Reisebilder, Food, Gesundheit, Fashion, lustige Momente. Hier gelten Promis als Bild- und Themenlieferanten, sozusagen professionelle Content Creators. Sie nehmen Einfluss auf die Berichterstattung mit inszenierten Bildern und stellen eine verzerrte „Wahrheit” dar. Sie nehmen dabei Einfluss auf den Umgang mit Bild-Content aus dem Internet und auf eine neu Bildästhetik, die häufig von Inszenierung, Bildbearbeitung bzw. Bildmanipulation und Filter-Apps geprägt ist.

Die unabhängige Bildberichterstattung wird auf diese Weise verdrängt und zum Teil komplett ausgehebelt. Sie wird ersetzt von privaten, aber eigentlich inszenierten Einblicken.

Die Social-Media-Kanäle und auch die Senderarchive sind inzwischen professionelle Bildarchive und Datenbanken geworden. Wie reagieren Agenturen darauf? Es gibt Agenturen, die Social-Media-Services, also Instagram-Bilder, im Bildarchiv anbieten.

Magazine arbeiten mit honorarfreiem Material von Instagram, TV-Shows, mit Sponsorenbildern von Events. Für die Verlage ist dieser kostenfreie Content ein wirtschaftlicher Vorteil: keine Kosten, keine Honorare, keine Abrechnungsformalitäten, keine Kommunikation mit den Fotografierenden. Wie ein unendlicher Strom werden sie mit kostenfreiem Material beliefert. Ein journalistisches Schlaraffenland?

Der wahre Preis ist die Aufgabe der journalistischen Unabhängigkeit. Sie wird freiwillig aufgegeben zugunsten einer vermeintlichen Kostenersparnis. Die Folgen sind weitreichend. Da alle Medien dieses Material erhalten, werden Bilder beliebiger, austauschbarer. Sie müssen in viele Redaktionen passen. Also werden sie auf Zuspitzung und Deutlichkeit verzichten zugunsten eines wie immer vermuteten Massengeschmacks. Instagram-Filter und Bild-Looks sind wichtiger als Information, Dokumentation oder Stellungnahme.

Genau das aber zeichnet gute Pressebildfotograf*innen aus. Sie sind vor Ort, stehen mit ihrer Person ein für unverfälschte Fotos, die zudem handwerklich sauber erstellt wurden. Das mag man gerne Qualität nennen.

Nur an wenigen Stellen will man auf jeden Fall ganz viele Fotografinnen und Fotografen sehen: am roten Teppich, auf dem die Stars und Sternchen entlangwandeln und sich im Blitzlichtgewitter – je stärker, umso besser – zu lustwandeln.

Die Auswertung

Ausgewertet wurden alle Abbildungen – Fotos, Zeichnungen, Illustrationen, Hintergrundbilder und eingefügte Elemente. Die Zahlen sind ohne Gewähr, denn nicht alle Abbildungen lassen sich korrekt zuordnen.

Häufig werden Instagram-Accounts genannt. Jedoch sind nicht alle Bilder Selfies, weil sich die Protagonist*innen haben fotografieren lassen. Der Fotograf wird dann meistens nicht genannt. Nicht immer wird durch die Zeitschriften eindeutig ausgewiesen, ob Fotos PR-Material sind oder nicht.

Was sind die Ursachen für nicht eindeutige Kennzeichnungen in den Fotocredits?

Oftmals stimmen die Anzahl der Credits nicht mit der Anzahl der Abbildungen überein. Es gibt Sammelvermerke, die zum Teil nur die Agentur benennen, nicht aber die Fotograf*innen oder die zugehörige Bildanzahl. Liegt es an der Länge der korrekten Credits? Agenturen werden häufig von Partnern beliefert, die Material von anderen Agenturen und Fotograf*innen syndizieren. Im Pressebildbereich wird das nur stark verkürzt im Credit dargestellt. Meistens verschwindet der Fotografenname. In manchen Stock-Bildern tauchen dafür regelrechte Bandwurm-Credits auf. Ein Indiz für inflationäre Bilderflut und weit verzweigte Distributionswege von Bildagenturen, bei denen oft die Bilder am Ende in den Archiven der bekannten großen Anbieter von Stock-Bildern landen. Dann bleiben beim Fotografen als Honorar nur Cent- oder einstellige Eurobeträge übrig.

Möglicherweise fallen durch die IPTC-Bearbeitung des Bildmaterials in den Agenturen die Fotograf*innennamen weg oder werden nicht beim Erstellen der Credits korrekt ausgelesen, wenn der Agenturname bei der Bilddatei namensgebend ist. Manche (inhabergeführte) Agenturen beharren auf einer korrekten Creditierung, die für sie eine wirtschaftliche Rolle spielt.

Credits sind für Fotografen und Fotografinnen wichtig – für künftige Jobs, für Belege, für die Selbstdarstellung. Für die Agenturen spielt aber eine korrekte UrheberInnen-Nennung keine große Rolle, solange die Bilder der Agentur zuzuordnen sind.

Bernd Seydel

Nordspitze (Auswahl HH)
Meinung (journalist)