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Kooperation zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein

„Unabhängigkeit ist ganz wichtig“


Der Medienrat als Beschlussorgan setzt sich der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH) aus jeweils sieben Mitgliedern zusammen, die in Hamburg durch die Bürgerschaft und in Schleswig-Holstein durch den Landtag gewählt werden. Jedes Land muss einen Volljuristen stellen. Auch die Ausgewogenheit der Geschlechter muss bei der Wahl garantiert sein. Die Mitglieder sind ehrenamtlich tätig.

Ein Gespräch mit Lothar Hay, dem Vorsitzenden des Medienrats der Medienanstalt MA HSH

Hamburg/Schleswig-Holstein, und seiner neuen Stellvertreterin Marina Friedt.

 

Seit fast elf Jahren gibt es die gemeinsame Medienanstalt der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. Warum diese Fusion? Hay: Das war 2005 ein Anliegen der großen Koalition in Schleswig-Holstein, von CDU und SPD, damit es zu mehr Zusammenarbeit mit Hamburg kommen sollte. Dabei ist u.a. der Medienbereich ausgeguckt worden. Im März 2007 gab es dann die Fusion der beiden Medienanstalten – die einzige in der Bundesrepublik. Friedt: Aber eigentlich war es eine Sparmaßnahme. Wird bei den finanziellen Förderungen aufgegliedert zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein? Hay: Das war bis Ende April noch der Fall. Beim Thema Medienkompetenzförderung hat man darauf geachtet, dass sowohl Hamburg als auch Schleswig-Holstein den gleichen finanziellen Anteil bekommen. Doch seitdem uns das durch die letzte Novellierung des Staatsvertrages weggenommen wurde, haben wir darauf nicht mehr zu achten. Sie beklagen, dass Ihnen der Förderzuschuss von 300.000 Euro gestrichen wird. Wie sieht jetzt die Zukunft aus? Hay: Medienkompetenzförderung findet bei uns nicht mehr statt. Wir geben aber Scout heraus, unser Magazin für Lehrer, Eltern und Großeltern. Stattdessen unterstützen wir jetzt die nichtkommerziellen Lokalradios von Hamburg und Schleswig-Holstein finanziell. Davon gibt es zwei in Hamburg – Freies Sender Kombinat FSK und Hamburger Lokalradio – und zwei in Gründung befindliche in Schleswig-Holstein, Freies Radio Neumünster und Freies Radio Flensburg. Friedt: Wir sind die einzige Medienanstalt in der gesamten Bundesrepublik, die keine Medienkompetenzförderung mehr machen kann. Wir hatten schon den kleinsten Etat von allen Landesmedienanstalten, und der ist uns jetzt auch noch gestrichen worden. Das halten wir für ein ganz falsches politisches Signal. Wie definieren Sie die Aufgaben der Medienanstalt? Wie lauten ihre Befugnisse und was umfasst der Zuständigkeitsbereich? Hay: Die Medienanstalt ist zuständig für die Programmaufsicht der privaten Radio- und Fernsehsender, die von uns eine Lizenz bekommen haben. Das sind die Regionalfensterprogramme von SAT.1 und RTL sowie Hamburg 1, außerdem sämtliche privaten Radiosender in Hamburg und Schleswig-Holstein wie RSH und Radio Hamburg. Friedt: Wir kontrollieren Fernsehen, Radio und Telemedien, also alles, was bei den Privaten über den Sender läuft und sichten, ob ein Fall vorliegt, der zu ahnden ist. Wie im letzten Jahr „Flying Uwe“ – ein Selfmademan, der auf YouTube in seiner Produktwerbung Präparate zum Muskelaufbau verkauft, dies aber nicht als Werbung deklariert hatte. Er bekam dann auch eine Strafe von ein paar tausend Euro…Hay: …die wir ihm letztendlich erlassen haben, weil er zum Schluss einsichtig war. Wenn z.B. mit Hate Speech auf Facebook zum Völkerhass aufgerufen wird, dann wird durch den Medienrat die Anstalt beauftragt, sich dieses Themas zu bemächtigen. Wir hatten jetzt gerade vor Kurzem das Thema Kommando XY, eine rechtsradikale Musikgruppe  mit einem Musikvideo, in dem der Völkermord an den Juden verhöhnt wird. Trotz vielfacher Beschwerden ist es bis vor Kurzem immer noch zu sehen gewesen. Wenn eine Privatperson die Löschung beantragt, dann kann sie lange darauf warten. Wenn die Medienanstalt an YouTube herantritt, reagieren die ziemlich schnell, weil sie Angst haben, dass sonst das Ganze publik gemacht wird und zur Negativwerbung beiträgt. Können Sie noch weitere Beispiele nennen, wann die Medienanstalt einschreitet? Friedt: Scripted Reality ist neben der Trennung zwischen Redaktion und Werbung ein Thema, das wir in den letzten zwei Jahren eingebracht haben. Lothar Hay hat versucht, auf Bundesebene bei der Gremienvorsitzendenkonferenz das Thema einzubringen und mit den privaten Fernsehbetreibern vereinbart, wie oft gekennzeichnet werden muss, dass es sich nicht um Dokumentationen handelt, sondern um erfundene Geschichten.Die Medienanstalt beobachtet auch das digitale Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Kann man Jugendliche, die den Erwachsenen digital in der Regel um Längen voraus sind, überhaupt dabei beeinflussen?  Hay: Wir versuchen, in unserem Magazin Scout zum kritischen Umgang mit dem Internet aufzurufen. Das betrifft auch die sozialen Medien wie Facebook, YouTube, Whatsapp, Instagram. Wir sagen: „Das ist ein ganz tolles Medium, was ihr habt, aber das Internet vergisst nichts, und alles, was ihr da von Euch selbst reinstellt, ist im Regelfall nie wieder wegzukriegen. Das kann euch in Zukunft erheblich belasten.“ Ein Ansatz bei der Medienkompetenz ist auch, dass man die Eltern mit einbindet, weil sie in der Tat meilenweit hinterherhinken. Finden Sie, dass der Gesetzgeber genug tut? Hay: Das, was jetzt als Gesetz verabschiedet wurde, ist ein erster Schritt, aber er veranlasst ja immer noch nicht die Eigenverantwortung von Facebook, YouTube, Twitter, Google und weiteren. Es wird damit begründet, dass solche riesigen Datenmengen jeden Tag dort eingestellt werden und das Ganze somit nicht funktionieren kann. Auf der anderen Seite wird z.B. das Foto des nackten Mädchens im Vietnamkrieg als Pornografie entfernt. Da stellt sich die Frage: Wo beginnt die Pressefreiheit, wo ist das ein Eingriff? Das ist eine zweischneidige Geschichte. Ich bin der Meinung, dass Facebook und die anderen Intermediären zu lasch damit umgehen, indem sie sagen: „Wir stellen nur die Plattform zur Verfügung, sind aber nicht verantwortlich dafür.“ Es ist in vielen Fällen ein gesetzesfreier Bereich, und es ist Aufgabe der Medienanstalten, gegen jegliche Verstöße vorzugehen. Der Medienrat übernimmt also auch bei Facebook & Co. die Funktion des Kontrollmechanismus?  Hay: In besonders gravierenden Fällen gehen wir mit einer Presseinformation an die Öffentlichkeit, da die Unternehmen nichts so sehr fürchten wie eine negative Berichterstattung, die sofort bei den Werbekunden einschlägt. Aber es wird noch ein langer Prozess sein, bis wir es soweit hinkriegen, dass dies keine rechtsfreien Räume sind, sondern dass auch die staatlichen Gesetze gelten. Ich gehe mal davon aus, dass das Ganze einer besseren Regelung zugeführt wird durch die Novellierung der AVMD-Richtlinie (Anmerkung der Redaktion: Audiovisuelle Mediendienste-Richtlinie), die vom Europaparlament noch verabschiedet werden muss. Im öffentlich-rechtlichen Bereich gibt es eigene Jugendschutzbeauftragte. Im privaten Bereich müssen die Sendungen zur Einstufung der freiwilligen Selbstkontrolle vorgelegt werden. Wenn die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) einen Vermerk gibt: „Freigegeben ab 12 Jahren“, dann haben wir keine Möglichkeit mehr, dagegen vorzugehen. Es sei denn, wir sind der Meinung, hier hat die FSF versagt, dann kann die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) entscheiden. Welche Möglichkeiten hat man als Privatperson, sich über eine Sendung zu beschweren? Friedt: So wie Privatpersonen sich bei Print und Online an den Presserat wenden, ist bei privatem Radio und Fernsehen der Medienrat zuständig, wenn ein Thema auffällt, das anscheinend bedenklich, strafwürdig oder jugendgefährdend ist. Wie können Sie politische Einflussnahme verhindern? Hay: Wir sind unabhängig, und wir haben uns im Medienrat schon mit der Kieler Staatskanzlei und dem Medienbeauftragten in Hamburg angelegt. Die Unabhängigkeit ist ganz wichtig. Die Politik soll sich raushalten. Man sieht’s am besten am Beispiel ZDF und ARD, dass der politische Anschluss viel zu stark ist und nicht unbedingt förderlich. Zwar will YouTube 10.000 Prüfer engagieren, die mit menschlichem Auge Maschinen trainieren, um Gewalt- und Terrorvideos zu scannen. Trotzdem: Wird die Messlatte der Akzeptanz vonseiten der Kontrollinstanzen nicht immer tiefer gelegt? Hay: Was den Jugendmedienschutz betrifft, habe ich diesen Eindruck in der Tat. Die letzten Gespräche, die es auf Bundesebene darüber gegeben hat, strengere Maßstäbe anzulegen, hatten wieder das Problem der 16 Bundesländer mit unterschiedlichen Auffassungen. Letztlich kommt dann meistens ein Kompromiss raus.Friedt: Aber gemeinsam sind wir eben stärker.Das Doppel-Interview führte Dagmar Gehm.

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