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Modelle zum Erhalt von qualitativ hochwertiger, regionaler Berichterstattung gesucht

Stütze vom Staat für "systemrelevante" Medien?


Sollte mit der Haushaltsabgabe nicht nur der öffentlich-rechtliche Rundfunkjournalismus, sondern auch Journalismus anderer Art finanziert werden? Seit Ende der Nuller Jahre wird diese Debatte sporadisch unter verschiedenen Vorzeichen geführt, aber sogar innerhalb der Nische des Medienjournalismus eher am Rande wahrgenommen.

Die schleswig-holsteinische Landtagswahl am 7. Mai könnte die Diskussion nun wieder ein wenig beleben. Die Grünen und - für Beobachter etwas überraschend auch die CDU -  äußern sich in ihren Wahlprogrammen grundsätzlich wohlwollend zur öffentlichen Förderung regionaler Medien. Die Christdemokraten konstatieren, es werde "immer mehr qualifiziertes Personal abgebaut", regionale und lokale Berichterstattung nehme tendenziell ab. "Die Tageszeitungen, die vor allem die politische Berichterstattung aus den Gremien vor Ort seit Jahrzehnten gewährleisten", würden immer mehr an Auflage verlieren. Die Landes-CDU kündigt in ihrem Programm daher an, eine wissenschaftliche Aufarbeitung vorzunehmen, "die Möglichkeiten aufzeigt, wie der qualifizierte Lokaljournalismus gestärkt werden kann, ohne in die Pressefreiheit einzugreifen." Die Grünen erwähnen in ihrer Wahlwerbung zudem, dass "schrumpfende Einnahmen und wachsende Anforderungen bei schlechteren Verträgen für Journalist*innen ... die Qualität der Berichterstattung" gefährdeten. Die Partei wolle "Modelle entwickeln, die qualitativ gute lokale und regionale Berichterstattung erhalten". Beispielhaft dafür seien Stiftungsmodelle oder die Förderung von neuen Formen des Journalismus wie beispielsweise von Kleinstverlagen.Axel Bernstein, der medienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag, betont, dass mit den Passagen im Programm seiner Partei "keine inhaltlichen Festlegungen" verbunden seien. "Eingriffe in den Markt müssen besonders gut begründet sein", ergänzt er auf Nachfrage. Auch Rasmus Andresen, der medienpolitische Sprecher der Landtags-Grünen, äußert sich reserviert: "Zu behaupten, dass wir ein konkretes Modell haben, das man bekommt, wenn man Grün wählt, wäre vermessen." Es handele sich schließlich um ein schwieriges Thema, denn: "Wir wollen die Vielfalt und die Qualität im Journalismus sichern, gleichzeitig wollen wir erreichen, dass, anders als bei den Öffentlich-Rechtlichen, die Politik keinen Einfluss nimmt." Auch wie man die Kriterien für Förderungswürdigkeit definiert, sei eine komplexe Frage. Diese Diskussion müsse "im Rahmen der Medienpolitik" jetzt geführt werden.In Deutschland gibt es ein negatives Beispiel für die öffentliche Förderung privatwirtschaftlicher Medien: In Bayern wird seit den 1980er Jahren privates Regionalfernsehen aus dem Staatshaushalt subventioniert. Die Unterstützung läuft mindestens noch bis 2020. Das Modell ist umstritten, weil hier Steuergelder fließen, über deren Verwendung direkt die Politik entscheidet - und sich die gesellschaftspolitische Relevanz der geförderten Sender in Grenzen hält.   Aus den Rundfunkbeiträgen finanziert sich die Stiftung "Vor Ort NRW", eine gemeinnützige Tochtergesellschaft der nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt LfM. Die Stiftung wurde im Sommer 2015 gegründet, um unter anderem die Weiterbildung von Lokaljournalisten zu fördern. Seit März 2016 unterstützt sie entsprechende Projekte unter anderem der RTL-Journalistenschule in Köln, des Journalistenzentrums Haus Busch (Hagen), der Medienakademie Ruhr sowie freier Journalistenbüros. Die Förderbeiträge liegen zwischen 10.000 und 40.000 Euro. Nach Informationen des Fachdienstes "Medienkorrespondenz" baut die Stiftung zudem eine Online-Lernplattform auf. Über dieses Portal soll sich etwa ein Kurs zum Thema "Datenjournalismus für Lokalreporter" abrufen lassen. In zahlreichen europäischen Ländern ist Presseförderung eine Selbstverständlichkeit: In Dänemark, wo die Medienförderung jährlich 52 Millionen Euro beträgt, knapp zehn Euro pro Einwohner, entscheidet ein ministerial eingesetzter Medienrat, dem Wissenschaftler und Vertreter von Journalistenverbänden angehören, über die Vergabe des Geldes - ein ähnliches Modell kann sich der Grüne Andresen für Schleswig-Holstein vorstellen. Das Nachbarland Schweden will bis 2018 das Förderbudget auf 75 Millionen Euro aufstocken - das wäre ein Drittel mehr als bisher. In Österreich ist gerade eine Debatte über das Vorhaben des Medienministers Thomas Drozda (SPÖ) entbrannt, die bestehende Förderung auch auf gratis verteilte Boulevardzeitungen auszudehnen. Von einem derartigen "Gießkannenprinzip" hält Leif Kramp, Forschungskoordinator des Zentrums für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung der Universität Bremen, überhaupt nichts. Das Thema öffentliche Presseförderung ist für ihn seit 2009 "virulent" - seit seiner Arbeit an der Studie "Das Verschwinden der Zeitung", die die Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben hatte. Er plädiert für punktuelle Förderungen. "Mit einem öffentlich-rechtlichen Beitragsmodell ließe sich ein unabhängiger, staatsferner Fonds für Qualitätsjournalismus finanzieren, mit dem man etwa Weiterbildungsmaßnahmen unterstützen könnte", sagt Kramp. Dazu gehöre, "die strukturelle Fähigkeit zu schaffen, auf neue Trends und Spielarten von Informationsvermittlung nicht nur zu reagieren", sondern sie vorwegzunehmen. Ein weiteres Beispiel: "Wenn sich zur nächsten Landesgartenschau die Volontäre eines großen Verlags zusammen schließen, um das Thema im großen Stil datenjournalistisch aufzubereiten und es somit potenziell attraktiver zu machen für eine jüngere Zielgruppe, können sie sich für eine Förderung bewerben, weil so ein Projekt sonst kaum umzusetzen wäre." Auch der CDU-Politiker Bernstein favorisiert tendenziell punktuelle und keine dauerhaften Förderungen. Er kann sich beispielsweise vorstellen, dass die Einführung von Bezahlmodellen gefördert wird. Bernstein betont, es gehe seiner Partei erst einmal darum, den Dialog mit den Verlagen anzuregen. Wende man sich in Sachen Presseförderung "öffentlich-formell" an Verlagsmanager oder Chefredakteure, reagierten diese "reserviert", sagt sein Parlamentarierkollege Andresen von den Grünen. "Aber je informeller das Gespräch, desto stärker der Wunsch, dass diese Themen politisch breiter diskutiert werden." Die NORDSPITZE hat für diesen Artikel auch ein Statement beim Zeitungsverlegerverband Nord (VZN) angefragt. Der Verband hat darauf nicht reagiert. Auskunftsfreudiger ist Stefan Hans Kläsener, der Chefredakteur des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages (shz). Es sei "überfällig, dass die Politik entdeckt, dass Medien mindestens so systemrelevant sind wie die Banken. Die Selbstverständigung der Demokratie läuft schließlich über Medien." Von den Ideen, die CDU und Grüne in ihren Parteiprogrammen niedergeschrieben haben, hält Kläsener sonst nichts. "Subventionen einzelner journalistischer Tätigkeiten sind immer angreifbar und missbrauchbar." Kann man nicht dadurch Unabhängigkeit herstellen, dass man über die Vergabe von Fördergeldern Gremien entscheiden lässt, in denen keine Politiker sitzen? "Am Ende ist es immer eine politische Entscheidung. Wer über die Vergabe staatlicher Mittel entscheidet, verliert seine Unschuld", sagt Kläsener. Unterstützen würde er einen "Infrastrukturausgleich", der der Tatsache Rechnung trägt, dass "in einem Ballungsgebiet ein Zusteller auf 500 Metern vielleicht 50 Zeitungen verteilt, im ländlichen Raum aber auf fünf Kilometern fünf." Landärzte bekämen ja auch Zuschläge, so Kläsener. Er finde es jedenfalls merkwürdig, dass Politiker im Zusammenhang mit Presseförderung in der Regel nicht über Infrastrukturen, sondern über Inhalte reden - etwa darüber, dass man Recherchen unterstützen müsse und Ähnliches. "Wer da nicht die Nachtigall trapsen hört, dem ist nicht zu helfen", sagt der Chefredakteur. Zu den Skeptikern gehört auch Volker Lilienthal, Professor für "Praxis des Qualitätsjournalismus" an der Universität Hamburg. "Öffentliche Förderung birgt immer Gefahren, und sei es vermittelt über eine Stiftung. Nicht unbedingt, weil sich aufrechte Journalisten ihre Berichterstattung diktieren lassen würden, sondern weil diese Förderung eine Grundgewogenheit erzeugt gegenüber jenen, die einen am Leben erhalten haben", sagt er. Natürlich muss man die Motive von Politikern, die staatlich geförderten Verlagsjournalismus ins Spiel bringen, stets im Blick haben. Parteienvertreter, die dies tun, treibt nicht nur ein übergeordnetes Interesse an Qualitätsjournalismus. Sie befürchten, dass mit der Schwächung der Zeitungen die Möglichkeiten schwinden, ihre eigenen Positionen zu präsentieren - und dass eine sinkende Berichterstattung übers regionale politische Geschehen es mit sich bringt, dass die Beteiligung an kommunalen Wahlen sinkt. Die Demokratie wachse von unten nach oben, und damit das so bleibe, sei es wichtig, dass "der ehrenamtliche Bereich der Kommunalpolitik in der Berichterstattung stattfindet", sagt der Christdemokrat Bernstein. Der Wissenschaftler Leif Kramp sieht ein Kernproblem aber darin, dass ein wachsender Teil der Bevölkerung lokale Berichterstattung als "nicht relevant für die eigene Lebenswirklichkeit" ansehe - auch, weil der Transfer globaler oder EU-Themen aufs Lokale bisher zu selten gelinge. Soziologisch gesprochen: "Die kommunikativen Beziehungen, in die wir eingebunden sind, sind weniger geographisch geprägt als früher." Wer immer mehr Informationen über digitale globale Kanäle beziehe, dessen Interessen veränderten sich. Letzteres sieht sein Kollege Lilienthal weitgehend ähnlich. Es sei zwar richtig, dass CDU und Grüne in ihren Wahlprogrammen für die Landtagswahlen auf sinkende Auflagen hinweisen. Die Auflagen gingen "aber doch nicht nur wegen der Konkurrenz des Internets zurück oder weil die Berichterstattung aufgrund von Sparmaßnahmen schlechter geworden ist, sondern weil das Interesse der Bürger an der Region nachlässt". Um die Aufgabe, "diese Aufmerksamkeit und damit auch ein Interesse für qualitativ hochwertige Information übers lokale Geschehen zu wecken oder neu zu wecken", müsse sich eher die Bildungspolitik kümmern, meint Lilienthal. Sein Fazit: Die Vorschläge der schleswig-holsteinischen Parteien seien zu sehr "von der Arbeitssituation der Journalisten her gedacht". Das sei natürlich eine wichtige Perspektive. Aber: Was nütze es, fragt Lilienthal, wenn "honorige unabhängige Persönlichkeiten Geld für tollen Journalismus bewilligen, und dieser seine Empfänger gar nicht erreicht?"René Martensaus: Nordspitze 2/17

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Meinung (journalist)