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Umbau in Hamburg, historische Einschnitte

Springer: Die Zeichen stehen auf Abbruch


Ein Stück Geschichte: Springer-Büste im früheren Hamburger Hauptgebäude. (Foto: Claudia Piuntek)

Zwischen der Tageszeitung Die Welt und der Stadt Hamburg herrscht ein besonderes Verhältnis. Die Welt war 1946 die erste überparteiliche Tageszeitung, die in der britischen Zone lizensiert wurde. Am 2. April jenes Jahres erschien in Hamburg die erste Ausgabe, parallel zu einigen längst verschwundenen Parteiblättern. Das Hamburger Abendblatt folgte erst zweieinhalb Jahre später. Dass eine in Hamburg gegründete Pionierzeitung der deutschen Nachkriegsgeschichte ab 2020 ohne Hamburg-Teil erscheint – das ist ohne Zweifel ein medienhistorischer Einschnitt. Man darf aber davon ausgehen, dass die US-amerikanische Beteiligungsgesellschaft KKR solche Medien-Hamburgensien nur begrenzt beeindrucken. Der Finanzinvestor, dessen Beteiligung an Springer mit mehr als 40 Prozent die Europäische Kommission im November genehmigte, gilt als Treiber der Ende September ausgerufenen Sparoffensive der Axel-Springer-Verlagsgruppe. Die Konzernstrategen planen, im Unternehmensbereich „News Media National“ die Kosten um 50 Millionen Euro zu senken. Die Abschaffung des gedruckten werktäglichen Welt-Lokalteils in Hamburg – die Welt am Sonntag wird weiterhin mit gedrucktem Lokalteil erscheinen – ist in diesem Kontext die radikalste Maßnahme, zumindest was die in Hamburg arbeitenden Redakteure der Verlagsgruppe angeht. Betroffen von den geplanten Maßnahmen sind aber auch alle anderen Springer-Redaktionen der Stadt. Beim DJV-Landesverband Hamburg geht man davon aus, dass in den Hamburger Redaktionen 20 Prozent der Festangestellten ihren Job verlieren werden. Bei der Axel Springer Auto Verlag GmbH, die sieben verschiedene Titel produziert, darunter die wöchentlich erscheinende Auto Bild, gehen Eingeweihte sogar davon aus, dass es ein Viertel der Redakteure treffen wird. Der Großteil des 160 Personen starken Teams, das sich auf 150 Stellen verteilt, ist in Hamburg ansässig, 20 Stellen (27 Beschäftigte) sind im fränkischen Schwabach angesiedelt.Ein besonderes Gefühl der Bedrücktheit macht sich bei den 64 Redaktionsmitgliedern der Computer Bild breit. Gerade erst im Juli 2019 hatte der DJV Hamburg gemeinsam mit Verdi einen potentiell zukunftsträchtigen Erfolg gefeiert: Nach einer insgesamt einjährigen Auseinandersetzung kam ein Haustarifvertrag zustande (siehe NORDSPITZE 4/19). Der Einigung war unter anderem ein mehrtägiger Warnstreik vorausgegangen.Betroffen ist auch einer der jüngsten Springer-Titel: das im Mai 2014 erstmals erschienene Wirtschaftsmagazin Bilanz mit Sitz in Hamburg. Laut Impressum der Zeitschrift, die bisher der Abo-Auflage der Welt beilag, bestand die Redaktion hier zuletzt aber nur noch aus dem Chefredakteur und einer weiteren Person. Bilanz wird nun, wie es der Verlag formuliert, „redaktionell in die Welt integriert“, also de facto abgewickelt. Auch der Hamburg-Teil der Bild-Zeitung ist – wie die 20 anderen Regionalredaktionen des Boulevardtitels – von Kürzungen betroffen.Auf die Frage, wie viel Prozent des Gesamt-Einsparziels Springer in Hamburg erreichen will, sagt Verlagssprecher Christian Senft: „Wir sind derzeit in Gesprächen mit Mitarbeitern und Betriebsräten zu den Details der künftigen Aufstellung insgesamt.“ Er bitte um Verständnis dafür, „dass wir dem Gesamtergebnis mit den Details, wie viele Personen wo und an welchen Themen arbeiten werden, nicht vorgreifen möchten“. Auch die Betriebsräte der betroffenen Redaktionen halten sich bedeckt. Man befinde sich momentan in der Informationsphase, von Verhandlungen könne noch gar keine Rede sein. Für die Redakteure der Welt lag bereits im November ein sogenanntes Freiwilligen-Programm vor, dem Springer den nicht unbescheidenen Namen „Herkules“ verpasste. Der Inhalt des Angebots: Wer „freiwillig“ den Verlag verlässt, bekommt den Betrag, der ihm nach dem bis Juni 2022 gelten Springer-Rationalisierungsschutz-Abkommen zusteht – plus 20 Prozent von dieser Summe. Das seien „sehr großzügige Regelungen“, und zwar „oberhalb des Sozialplanniveaus“, sagt Verlagssprecher Senft. Zumindest für ältere Arbeitnehmer*innen und solche, die gute Perspektiven bei der Sozialauswahl haben, ist das „Herkules“-Programm aber wenig attraktiv.Bis kurz vor Weihnachten hatten die Hamburger Redakteurinnen und Redakteure der Welt Zeit, über das Angebot zu entscheiden. In den anderen betroffenen Hamburger Redaktionen ist mit entsprechenden Entscheidungen im Laufe des Januars zu rechnen. Stefan Endter, Geschäftsführer des DJV Hamburg, appelliert an die Axel-Springer-Verlagsgruppe, die Redaktionen in Hamburg „nicht kaputtzusparen“. Das Unternehmen müsse sich zudem seiner „sozialen Verantwortung bewusst sein“. Unklar ist derzeit noch, ob wenigstens ein winziger Teil der von den Einsparungsbestrebungen betroffenen Journalist*innen auf andere Posten in der Springer-Verlagsgruppe umgehoben werden kann. Das käme überhaupt nur für jene in Frage, die bereit sind, nach Berlin zu ziehen. Für den Standort Hamburg, so ein Redakteur defätistisch, stehen die Zeichen bei Springer auf Abbruch.

                           René Martens

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