Meine Meinung
Sind wir Journalisten auf dem Weg in eine Zweiklassengesellschaft?
Wolfgang Heumer ist Freier aus Bremen (Foto: privat)
In jüngster Zeit und im offenkundig direkten Zusammenhang mit den Veränderungen in der Medienlandschaft entwickelt sich zunehmend eine Kluft zwischen festen und freien Journalisten, die inzwischen auch den DJV als bislang gemeinsame Interessenvertretung zu erreichen scheint. Seit langem wird der Unterschied zwischen Festen und Freien durch die Art ihres Salärs markiert. Feste bekommen eine Bezahlung für ihre Arbeitsleistung, die sich letztlich an Stunden und nicht an Umfängen misst. Freie erhalten eine Vergütung für die Nutzungsrechte an ihrem publizistischen Beitrag, deren Höhe unabhängig von Aufwand und Zeit ist. Seit geraumer Zeit entwickeln sich beide Bezahlsysteme in gegenläufige Richtung. Während die Gehälter (wieder) steigen, sinken die de facto gezahlten Honorare mit zunehmender Geschwindigkeit.
Das führt zwangsläufig zu Spannungen zwischen Festen und Freien. Freie klagen über mangelndes Verständnis für ihre Lage bei den Redakteuren. Feste unterstellen Freien, selbst aus mangelnder Einigkeit für den Verfall der Honorare verantwortlich zu sein. Wir Freien vermissen, dass sich der DJV aktiver mit unseren Belangen befasst. Die Festen erwarten in erster Line Engagement für tarifvertragliche Errungenschaften. Die Diskussionen haben viele Facetten – bis hin zur Frage, wer sich eigentlich noch hauptberuflicher Journalist nennen darf. Dass der DJV auch noch Gremien wie den Bundesfachausschuss Freie verkleinert und ein größeres Gewicht auf Tarif- und Betriebsratsarbeit zu legen scheint, vergrößert die Spannungen, statt sie abzubauen.
Diese Entwicklung verschleiert den Blick auf das wahre Problem. De facto ist die Kluft zwischen Festen und Freien hauchdünn – in etwa so dünn wie das Blatt Papier für eine Kündigung. Dass mittlerweile mehr als die Hälfte der DJV-Mitglieder Freie sind, ist schließlich auch auf den massiven Stellenabbau in den Redaktionen zurückzuführen. Und dass viele Freie nicht mehr von ihrer Arbeit leben können, führt auch zum Mitgliederschwund im Verband. Wer diese Entwicklung unterbrechen will, darf sich nicht auf Tarife oder Vergütungsregeln konzentrieren. Vielmehr muss der DJV gute Antworten auf eine einzige Frage finden: Wie sieht Journalismus aus, der noch etwas wert ist?
(Wolfgang Heumer)