Radio Hamburg
Offener Brief nach Schlagabtausch im Netz
Die Geschäftsführung von Radio Hamburg stellt sich weiter gegen ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Patrick Bernstein und Marzel Becker wollen keinen Haustarifvertrag und verweigern jegliche Verhandlungen mit dem DJV und Verdi. Beide Gewerkschaften hatten den Privatsender im Auftrag ihrer Mitglieder zu Haustarifverhandlungen aufgefordert (die NORDSPITZE berichtete). Mit einem Video haben die Beschäftigten unter www.wirsindradio.hamburg auf ihre Forderungen nach angemessenen Gehältern aufmerksam gemacht und sich mit einem offenen Brief an die Gesellschafter des Senders gewandt. Die Anteile an Radio Hamburg werden unter anderem von der Axel Springer SE, Bauer und der RTL Group gehalten.
Ende August reagierte der Sender mit einer eigenen Seite (www.wirsindradiohamburg.de) im Netz. Der Branchendienst Meedia titelte daraufhin: „Nach ,Wir sind Radio Hamburg‘-Aktion: Streit um Arbeitsbedingungen wird zur PR-Schlacht.“ Im Zentrum der Sender-Website steht ein sogenannter Fakten-Check. Darin versucht die Geschäftsführung, die Aussagen der Beschäftigten zu widerlegen, es seien Stellen weggefallen und die Arbeit habe sich verdichtet. Das Argument von Radio Hamburg: Die More GmbH & Co. KG habe seit 2013 60 Prozent Zuwachs an festen Mitarbeitern. Tatsächlich ist die Zahl der Festangestellten von Radio Hamburg rückläufig. Waren 2014 noch 41 Festangestellte exklusive der Geschäftsführung für den Sender tätig, nahm die Mitarbeiterzahl innerhalb der beiden folgenden Jahre um mehr als 12 Prozent ab.
Die entsprechenden Zahlen hat Radio Hamburg selbst in seinen Bilanzen, die ein vereidigter Wirtschaftsprüfer testiert hat, publiziert. Außerdem behaupten die Senderverantwortlichen, das Durchschnittsgehalt eines festangestellten Redakteurs betrage 53.000 Euro. Offen bleibt dabei die Berechnungsgrundlage. Wir wissen nicht, welche Mitarbeiter in diese Rechnung einbezogen wurden. Spricht man mit denjenigen Redakteuren, die nach der Tarifflucht des Senders neu eingestellt worden sind, drängt sich ein anderer Eindruck auf.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Radio Hamburg haben sich nun in einem offenen Brief an die Gesellschafter des Senders gewandt. Darin heißt es: „Als Radio Hamburg im Jahr 2003 aus dem Tarifverband privater Rundfunk ausgetreten ist, wurde den Mitarbeitern versichert, dass sich dadurch nichts für sie verschlechtern wird, sondern die Konditionen auf Höhe des Entgelttarifs bleiben werden. Das entsprach leider nicht der Wahrheit. Seitdem sind die Einstiegsgehälter kontinuierlich gesunken, Urlaubs- und Weihnachtsgeld für neue Kollegen in den Verträgen nicht mehr enthalten. Turnusmäßige Gehaltsanpassungen werden immer seltener oder fallen ganz aus.“ Deshalb bleiben die Beschäftigten bei ihrer Forderung nach einem Tarifvertrag. Freiwillige Zahlungen ohne tarifliche Erhöhungen – wie sie die Geschäftsleitung jetzt anbietet – reichen ihnen nicht aus.
(Text und Foto: Stefan Endter)