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Zeitschrift der Straße, Hinz&Kunzt, Hempels

Geschichten aus den Städtedschungeln


Die Verkäufer stehen vor Supermärkten, an Bahnhöfen oder an den Eingängen von Ämtern. In Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein verkaufen Menschen in Not Die Zeitung der Straße, Hinz&Kunzt und Hempels. Viele der Straßenverkäufer haben ihren festen Platz in den Städten, Verkäufer und Kunden kennen sich oft seit Jahren. Aber wie finanzieren sich die Straßenzeitungen und wie arbeiten die Redaktionen? Die NORDSPITZE hat nachgefragt. "Die Zeitschrift der Straße möchte sich durch ihr journalistisches Profil und ihre Aufmachung vom Klischee der Obdachlosenzeitung absetzen", sagt Philipp Jarke (41), einer der beiden Chefredakteure der in Bremen erscheinenden Zeitschrift der Straße. Das anspruchsvoll gestaltete Magazin ist ein Lernprojekt für Studierende unterschiedlicher Fachgebiete und Hochschulen. Jede Ausgabe widmet sich ausschließlich einer Straße oder einem Ort in Bremen. An diesem Ort sucht das aus den Redaktionsleitern Philipp Jarke und Jan Zier (42) sowie freien Autoren und Fotografen, einer freiberuflichen Illustratorin, einem freien Mediengestalter und einer Lektorin bestehende Redaktionsteam nach Geschichten und nach interessanten Menschen. "Das Magazin thematisiert die Straße, aber nicht als Metapher für soziales Elend, sondern als Ort des öffentlichen Lebens", so Chefredakteur Zier, der zuvor schon als Autor der Zeitschrift tätig war. An jeder Ausgabe sind zwischen 12 und 18 Personen beteiligt. Darunter nicht nur gestandene Journalisten wie Jarke und Zier, sondern auch Berufsanfänger und Studierende. Seit der Gründung der Zeitschrift der Straße haben laut Jarke "rund 250 Studierende an ihr gelernt, hinzu kommen zahlreiche ehrenamtlich Engagierte". Für die ersten längeren Reportagen und Porträts gibt es nur eine Aufwandsentschädigung, Honorare können die Macher bisher nicht zahlen. "Dafür haben Autoren viele Möglichkeiten, sich im Magazinjournalismus auszuprobieren und werden dabei von der Redaktionsleitung intensiv begleitet und unterstützt", erklärt Zier. Die Zeitschrift finanziert sich nur zum Teil aus den Verkaufserlösen; Anzeigen und Spenden schließen die Lücke. Die Vision der beiden Redaktionsleiter Zier und Jarke: "Wir wollen Menschen in schwierigen sozialen Lebenslagen - insbesondere solchen, die von Armut, Wohnungslosigkeit und starker sozialer Ausgrenzung betroffen sind - noch besser unterstützen." "Eigentlich sind auch die Hamburger unsere Gesellschafter", meint Birgit Müller (60), Chefredakteurin von Hinz&Kunzt, da das Magazin nicht nur durch Diakonie und Patriotische Gesellschaft, sondern auch durch einen Freundeskreis und sehr viele Hamburger unterstützt wird. Müller ist Mitbegründerin des Monatsmagazins mit den Schwerpunkten Soziales und Kultur. Ihre Vorgehensweise, um Dinge aus einem anderen Winkel zu beleuchten: "Nah dran an den Menschen. Nah dran an Hamburg. Glaubwürdig. Konstruktiv. Wenn wir Missstände entdecken, versuchen wir, Lösungen - beispielsweise aus anderen Städten oder Regionen - zu finden." Weil es der engagierten Journalistin seit mehr als 20 Jahren gelingt, bei Lesern Lust aufs Engagement zu machen und dadurch die Augenhöhe von Straßenverkäufern und Kunden herzustellen, hat sie im vorigen Jahr das Bundesverdienstkreuz erhalten. Die Ehrung galt Müllers Überzeugung nach allen Hinz&Künztlern, daher wurde die Zeremonie auf ihren Wunsch im Vertrieb des Straßenmagazins abgehalten - so konnten all ihre Wegbegleiter anwesend sein. Inzwischen arbeiten bei Hinz&Kunzt drei festangestellte Journalisten in Teilzeit und sechs bis sieben freie Mitarbeiter sowie freiberufliche Fotografen. Die meisten Freien erhalten Stundenhonorare, nach Zeilen werden nur diejenigen bezahlt, die selten für das Hamburger Straßenmagazin tätig sind. Freie Autoren braucht Müller kaum, "weil die, die da sind, davon auch etwas leben können sollen". Der typische Leser der Zeitschrift ist sozial interessiert, allerdings fehlen die jungen Leser, die das Team um Birgit Müller eher über Stadtrundgänge, Öffentlichkeitsarbeit sowie Website und soziale Netzwerke erreicht. Ihre Zukunftsvision formuliert die Hinz&Kunzt-Macherin so: "Je globalisierter und weiträumiger unsere Welt ist, desto verständlicher und näher dran soll unser Magazin sein." Die Journalistin hat sich vorgenommen, noch mehr als bisher zum Anfassen zu sein: "Man kann uns besuchen, bei uns Stadtrundgänge machen und bei unseren diversen Projekten sehen, dass viele Vorurteile gar nicht zutreffen." Bevor Peter Brandhorst 2003 Chefredakteur von Hempels in Kiel wurde, arbeitete der heute 64-Jährige als Autor bei Hinz&Kunzt in Hamburg. Mit sozialen Themen, aber auch Unterhaltsamem aus Sport und Kultur gibt das Straßenmagazin Obdachlosen in Schleswig-Holstein eine selbstbewusste Stimme. Die Themen sollten nicht zu sehr auf die Landeshauptstadt beschränkt sein. "Unsere Leser sitzen überall im Lande und nicht bloß in Kiel", betont Brandhorst. Damit die Artikel auch für Leser aus Heide oder Flensburg interessant seien, dürften sie nicht zu lokal sein. Seit Dezember hat Hempels einen größeren Umfang, eine neue Optik und einen etwas höheren Preis, der von 1,80 Euro auf 2,20 Euro angehoben wurde. "Die Rückmeldungen nach dem Relaunch waren bisher sehr positiv", freut sich der Chefredakteur. Natürlich hat der Satiriker Hans Scheibner in der Neuauflage von Hempels seine feste Rubrik behalten: "Er ist ein sehr genauer Beobachter, die Glosse wird gern gelesen", so Brandhorst. Die durchschnittliche Hempels-Leserschaft ist weiblich, Mitte bis Ende 40 und recht gebildet. Frauen sind oft emphatischer als Männer, glaubt der Chefredakteur, aber er hält überhaupt nichts davon, wenn die Straßenzeitung aus Mitleid gekauft wird. "Ich sage den Leuten immer, sie sollen sich für ihr Geld die Zeitschrift aushändigen lassen und den Verkäufern keine Almosen geben." Augenhöhe sei so wichtig, übrigens auch für die Redaktion, in der drei Redakteure und eine Fotografin jeden Monat ein neues Heft konzipieren, das sich aus Verkaufs- und Anzeigenerlösen sowie Spenden finanziert. Gute Themen sind immer gefragt, manchmal kommen die Ideen dafür von den Straßenverkäufern. Aber auch freie Autoren können Brandhorst ihre Themen anbieten. "Wir zahlen 80 Cent pro Zeile", sagt Brandhorst. Das sei zwar nicht üppig, aber viel mehr als so manch anderer Verlag seinen freien Autoren bezahle. Claudia Piuntekaus: Nordspitze 1/17

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Meinung (journalist)