Umbau des NDR
Freie beklagen Kommunikation von oben herab
Viele Freie beklagen eine hohe Arbeitsbelastung und mangelnde Wertschätzung (Foto: Christina Czybik)
Der NDR baut sich gründlich um: Große Ressorts wie Nachrichten, Kultur und Sport arbeiten zunehmend crossmedial und ziehen mit den bisher getrennten Bereichen Fernsehen, Hörfunk und Online in gemeinsame Newsrooms und Zentren. Sendungen fliegen aus den Programmen oder sind nur noch in der Mediathek abrufbar. Neue Formate werden ausprobiert, „Was-mit-Social-Media“ boomt. Und dann wird auch noch reichlich neue Software eingeführt, mit kleinen Videos zum Selbstlernen statt Schulungen.
In vielen Bereichen war ein Umbau überfällig – doch er kommt zu einer Zeit, in der Beschäftigte im NDR, Feste wie Freie, bereits von jahrelanger Arbeitsverdichtung gebeutelt sind. Aussicht auf Besserung besteht nicht, im Gegenteil: Angestellte über 60 wurden mit dem Pro- gramm „UP“ motiviert, den NDR vor Erreichen der Regelaltersrente zu verlassen, indem sie für Einbußen bei der Rente einen Ausgleich erhalten.
Stellen, die mit „UP“ abgebaut wurden, bleiben unbesetzt, so will es das Konzept. Das UP-Programm reißt dabei Löcher in zuvor gut funktionierende Redaktionen – echte Personalplanung sieht anders aus.
Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im NDR stehen besonders unter Druck. Seit Jahrzehnten „machen“ Freie wesentliche Teile des Programms, ob Audio, Video oder Text. Ihre sogenannten Rahmenverträge sind auf ein bis zwei Jahre befristet. Nach spätestens 15 Jah- ren beendet der NDR regelmäßig die Zusammenarbeit mit der/dem Freien komplett und im gesamten Sender. Andere ARD-Anstalten beschäftigen ihre Freien dagegen bis zur Rente, bei programmlichem Abwechslungsbe- dürfnis wechseln sie in eine andere Redaktion oder Tätigkeit.
Zwar heißt es im NDR nach wie vor: „Sieh zu, dass Du ein zweites Standbein hast.“ Für die Suche nach einem zweiten Standbein bleibt aber kaum Gelegenheit, zu groß ist die Erwartung von Redaktionen, dass „ihre Freien“ für sie auch möglichst jederzeit verfügbar sind.
Die Reformen im NDR verstärken diesen Druck, bei Freien gibt es oft erhebliche finanzielle Einbußen. Werden Sendestrecken wie „Mein Nachmittag“ komplett gestrichen, kann auf einmal die Haupteinnahmequelle entfallen. Was bisher als Feature lief, ist jetzt ein Podcast - und wird bei gleicher oder erhöhter Sendelänge deutlich schlechter bezahlt. In immer mehr Bereichen arbeiten Freie in Schichten, und immer wieder gibt es Versuche, Honorare dadurch zu „optimieren“, dass Stücke in den Schichten gemacht und dann mit einem vergleichsweise niedrigeren Honorar vergütet werden sollen. Der DJV beobachtet eine für den NDR neue Entwicklung: Freie verlassen den NDR von sich aus, viele wechseln in Pressestellen – dort werden sie mit Kusshand begrüßt und haben Chancen und Sicherheiten, die der NDR ihnen nicht bieten will.
In mehreren Umfragen haben wir Freie im NDR gebeten, ihre Situation zu beschreiben und ihre Wünsche und Forderungen zu be- nennen. Die häufigsten Forderungen:
Freie sollen die Möglichkeit haben, ohne eine willkürliche Grenze von 15 oder XY Jahren für den NDR arbeiten zu können. Wenn Formate oder Schichten absehbar gestrichen werden oder bei programmlichem Abwechslungs- bedarf suchen der NDR und der/die Freie gemeinsam nach einer anderen Einsatzmöglichkeit im NDR. Wenn Freie neue Aufgaben übernehmen, gibt es qualifizierte Weiterbildungsangebote und Schulungen. Thematisiert wird auch eine soziale Verantwortung des NDR: „Gerade Frauen (über 55) haben häufig freiberuflich gearbeitet, um Beruf und Familie besser miteinander in Einklang zu bringen. Sie sind daher darauf angewiesen, möglichst lange in die eigene Altersversorgung einzuzahlen. Gerade weil der Eintritt ins Rentenalter hinauf- gesetzt wurde, sollten hier seitens des NDR aktiv Angebote erarbeitet werden.“*
Freie wollen bei anstehenden Veränderungen frühzeitig informiert und einbezogen werden. Viele von ihnen sehen den NDR als ihre Heimat, und doch: „Die Arbeitsbelastung steigt, da neben dem Tagesgeschäft die veränderten Prozesse umgesetzt werden müssen – die Kommunikation geschieht immer nur von oben herab. Viele Kolleginnen und Kollegen fühlen sich nicht mitgenommen, vor vollendete Tatsachen gestellt. Kritik wird abgebügelt, und man wird als ,Hindernis‘ wahrgenommen, das den Veränderungsprozess aufhält. Generell fehlt es an Wertschätzung und Perspektiven und dem Gefühl, ein Teil von etwas zu sein.“*
Die Kommunikation mit den Freien muss verbessert werden. Freie benötigen auch außerhalb der Redaktion Ansprechpartner
im NDR, die für ihre Belange zuständig sind. Aus Sicht vieler Freiberufler bieten sich dafür kleine Clearing-Stellen oder Gremien an, in denen immer auch Freie vertreten sind. Die Personalräte, die im NDR seit dem 1. Septem- ber 2021 auch für arbeitnehmerähnliche Freie zuständig sind, werden hier nur teilweise hel- fen können. Ein umfassender Ansprechpart- ner im NDR, wie von vielen Freien gewünscht, sind sie aus rechtlichen Gründen nicht.
(Anja Westheuser)
* Wir haben alle Zitate anonymisiert.