Aktueller Rechtsfall
Frei oder scheinselbständig: Wo ist eigentlich die Grenze?
Scheinselbständigkeit ist das Stichwort für ein seit Jahren großes Problem im Journalismus. Die Verlage haben viele Mitarbeitende – zum Teil auf Pauschalbasis – als Freie beschäftigt, aber wie Festangestellte eingesetzt. Die Folge: Wirtschaftliche Abhängigkeit ohne Anspruch auf das Gehalt und die Arbeitsbedingungen der Festangestellten. Dazu kommen häufig nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge. Vielfach hat der DJV betroffene Kolleginnen und Kollegen beraten und zum Teil auch Statusklagen vor den Arbeitsgerichten geführt. Zwar sind die Medienhäuser in den vergangenen Jahren nach Sozialversicherungsnachzahlungen teilweise in Millionenhöhe vorsichtiger geworden. Dennoch gibt es immer wieder Fälle, in denen es um die rechtliche Abgrenzung zwischen dem Status einer Freien oder eines Freien oder einer Festangestellten/ eines Festangestellten geht.
Hier verdient eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Hessen Beachtung (Beschluss vom 01.02.2022 -19 Ta 507/21). Das LAG hat in einem Beschluss klargestellt, dass ein Vertrag, der ausdrücklich ein freies Dienstverhältnis benennt und beschreibt, eine Qualifizierung als Festanstellungsverhältnis nicht zwingend ausschließt: Es komme vielmehr „auf die tatsächliche Vertragsdurchführung und nicht auf die Bezeichnung im Vertrag an. Durch Parteivereinbarung kann der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechtes nicht abbedungen werden“. Und der Beschluss geht noch weiter: „Anders ist dies jedoch im umgekehrten Fall, in dem die Vertragsparteien einen als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrag abschließen und für ein Arbeitsverhältnis typische Rechte und Pflichten im Vertrag regeln.“ Die tatsächliche Durchführung sei in einer solchen Konstellation nicht erheblich. Das Landesarbeitsgericht Hessen bezieht sich in der ausführlichen Begründung des Beschlusses auch auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG, Urteil vom 18. März 2014 - 9 AZR 694/12 - Rn. 19, juris).
(Stefan Endter)