Der neue Eigentümer spart an der Technik, nicht am Personal
Einmal Mopo scharf mit alles
Für Arist von Harpe ist die Mopo „beinahe etwas Heiliges, nicht irgendeine Firma“. Handgeschriebene Leserbriefe liest er ehrfürchtig. (Foto: Florian Büh)
Als Xing-Geschäftsführer Arist von Harpe im Februar 2020 die Hamburger Morgenpost vom Dumont-Verlag kaufte, schöpfte die Mannschaft von Hamburgs ältestem Boulevardblatt wieder Mut. Doch dann kam Corona. Während des ersten Lockdowns sind zwar Abonnenten hinzugekommen, aber nicht übermäßig viele. Gemeinsam mit einem 75-köpfigen Team arbeitet der 42-jährige von Harpe weiter daran, dass die krisenerprobte Mopo fest in Hamburg verankert bleibt. Der gebürtige Düsseldorfer lebt seit 1999 in der Hansestadt, war bis 2017 Geschäftsführer der Social-Media-Cloud Facelift und stand ab Januar 2018 Xing Marketing Solutions vor. Im Interview mit der NORDSPITZE spricht er über seine Motivation, zeitgemäßen Boulevard und Zukunftspläne.
Ist die Morgenpost durch Ihr Engagement gerettet?
Noch nicht, wir sind aber auf einem guten Weg. Der von uns eingeschlagene Weg, die Mopo in eine bessere Zukunft zu führen, war der richtige. Aber wir sind noch nicht durch diesen Sturm durch.
Wann kam Ihnen die Idee, die Mopo zu kaufen?
Das war eigentlich eine Schnapsidee, die kam mir im September 2019. Ich kannte den Dumont-Vorstand, weil ich die Firma Facelift mit aufgebaut habe, die wir damals an Dumont verkauft haben. Und als dann das Gerücht die Runde machte, dass die Dumont-Zeitungen einzeln verkauft werden sollen, habe ich mir gesagt „Ja, dann nehm‘ ich die doch“. Der Kaufpreis lag in einem Rahmen, der das machbar erscheinen ließ. Ich halte freien Journalismus für wichtig und sinnstiftend für unsere Gesellschaft, und gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass dieser Journalismus wirtschaftlich aktuell extrem unterbewertet ist.
Sie waren lange in Positionen als Geschäftsführer tätig – wie sieht jetzt ihr Tagesablauf als Verleger aus? Und was unterscheidet Sie von anderen Verlegern?
Ich sehe mich nicht als Verleger, sondern eher als Geschäftsführer. Maik Koltermann ist Chefredakteur, der macht die Inhalte und das Heft. Und ich sorge dafür, dass
wir zum Monatswechsel über die Runden kommen. Ich spreche vor allem mit dem Marketing, dem Anzeigenverkauf, dem Vertrieb und der Technik. Das tägliche Zeitungerstellen überlasse ich den Profis. Ich frage höchstens abends mal, „Was machen wir denn auf der Eins?“. Aber am Ende prägt man natürlich den grundsätzlichen Spirit hier. Ich habe bisher von vielen Mitarbeitern gehört, dass der Umgangston menschlicher geworden ist. Anfangs traf ich hier nur auf versteinerte Gesichter, die von der Situation kaputt gemacht worden waren. Jetzt merke ich, dass da Leute mit kreativen Ideen sind, die Lust haben, was zu machen und das jetzt auch tun. Das, was wir 2020 geschafft haben, war ein Kraftakt hoch zehn. Und wir haben den halben Weg der Rettung schon erfolgreich hinter uns, trotz der harten Nebenbedingungen.
Wie sieht Ihr digitales Konzept für die Mopo aus?
Die digitale Strategie ist im Wesentlichen, unsere hohe Reichweite zu halten, aber eben mit besseren Mitteln. Die Mopo war lange Zeit auf dem Weg, dass sie Richtung Clickbaiting (Anmerkung der Redaktion: Klickfang-Tricks digitaler Medien) ging, ohne eigene Inhalte zu haben. Wir wollen davon weg, denn dieses Clickbaiting ist Gift für eine Marke. Also, wenn man die Leser dreimal veräppelt hat, indem man in der Überschrift was vorgaukelt, was im Text nicht gehalten wird, sagen die Leser, ihr könnt mich mal. Wir wollen wieder mehr Qualität, mehr Inhalte und das machen, was die Leute hier in Hamburg wirklich interessiert und auch begeistert.
Sind die Arbeitsplätze bei der Mopo sicher?
Wir sind mehr als 40 Redakteure, und die brauchen wir auch. Mein Ansatz ist, lieber die Mannschaft als gutes Team zu erhalten und bei allen anderen Kosten sparsamer vorzugehen. Wir mussten aus vielen Grün- den die Kosten senken. Sehr viel Dumont- Technik, die extrem teuer war, haben wir durch Technik ersetzt, die besser, einfacher und günstiger ist. Damit haben wir unsere Gesamtkosten um mehr als zehn Prozent reduziert – und dabei nicht einen einzigen Mitarbeiter entlassen.
Sie betonen den Qualitätsanspruch. Welche Bedeutung hat Qualitätsjournalismus für den wirtschaftlichen Erfolg?
Ich glaube, das ist der einzige Weg, der funktioniert. Qualität liegt zwar immer im Auge des Betrachters, aber wir sehen uns nicht mehr als den klassischen, knalligen Boulevard, das Rabiate, das die Mopo früher war. Ich habe mir neulich eine bekannte Boulevard-Zeitung aus Österreich gekauft, da denkt man ja wirklich, man ist in einem anderen Jahrhundert. Da herrscht ein ganz anderer Ton und der ist meines Erachtens zumindest hier in Hamburg nicht mehr zeitgemäß, und es würde uns nicht einfallen, so zu arbeiten.
Hat Corona die Entwicklung zur Digitalisierung beschleunigt?
Die Not, die durch Corona kam, hat natürlich unseren Spielraum verengt, wir mussten noch radikaler und schneller beim Mopo-Umbau sein. Wir hatten eben noch mehr Druck, aber der hat auch Energien freigesetzt. Die Leute haben nicht wie das Kaninchen vor der Schlange gesessen, sondern in die Hände gespuckt und gesagt: machen! Das ist dieses neue Mopo-Gefühl. Die meisten waren natürlich im Home- Office, was schade ist, denn man hat noch gar nicht so richtig zusammengesessen oder konnte mal abends gemeinsam ein Bier trinken.
Gibt es ein Mopo-Motto?
Wir haben einen Slogan für draußen: „Willste Hamburg, brauchste Mopo“. Jede Mopo wird zehnmal gesehen, weil wir in der Gastronomie ausliegen. Wir machen inzwischen auch Podcasts, vielleicht kann man uns bald außerdem im Radio hören. Wichtig ist: Überall, wo Mopo draufsteht, ist auch Mopo drin.
Laut Medienberichten planen Sie Bezahlschranken für Abos?
Ich würde nicht von Bezahlschranken sprechen, sondern das als Angebot eines Mopo-Online-Clubs bezeichnen, mit dem man zusätzliche Vorteile genießt. Es geht darum zu versuchen, die Mopo-Leser mit ihren Leidenschaftsthemen zu bedienen. Die sind HSV, St. Pauli, Pop, Kultur, Hamburg und Stadtgeschichte, da sind wir einfach stark. Wir wollen also den Leuten, in deren Tagesablauf es nicht passt, eine Mopo zu kaufen, digital mehr bieten. Das ist dann „einmal Mopo scharf mit alles“. Da sind wir dabei, das ist aber noch Zukunftsmusik.
Das Gespräch führte Marina Friedt.