Zukunftsmusik mit Groß-Redaktionen und Mikro-Verlagen
DJV-Workshop zu veränderten Arbeitsbedingungen im Journalismus und neuen Wegen in Schleswig-Holstein
von lks. Christoph Käfer, Esther Geißlinger; Foto: Thorsten Philipps
Frei und unternehmerisch, in allen Techniken bewandert, bestens vernetzt und stets dabei, den eigenen Namen als Marke aufzubauen – das sind einige der Thesen zum Wandel des Journalismus, die im DJV diskutiert werden. Bei einer „Zukunftswerkstatt“ des DJV-Landesverbandes in Kiel berieten gut 20 Journalistinnen und Journalisten, darunter eine Reihe von Volontären, wie sich die bundes- und weltweit sichtbaren Tendenzen auf die Arbeit in Schleswig-Holstein auswirken werden. Es war der zweite Mosaikstein einer Veranstaltungsreihe zur Zukunft des Journalismus. Am Ende solle ein Bild der künftigen Arbeit stehen, aus dem sich Forderungen ableiten ließen, „über die wir dann mit den Medienhäusern im Land sprechen wollen“, so DJV-Landesvorstandsmitglied Esther Geißlinger, die ins Thema einführte. „Wobei den Verlagen klar sein muss, dass es heute möglich ist, ohne Verlag oder Sender im Rücken journalistisch zu arbeiten. Das ist eine neue Qualität.“ Beispiele sind Zeitungen, die nur online existieren, oder die Finanzierung von Recherche-Projekten durch Spenden, die über Crowdfunding-Plattformen eingeworben werden.Alle diese Ideen werden auch in Schleswig-Holstein ausprobiert – wirtschaftlich lukrativ sind sie aber bisher nur teilweise. „Vieles läuft nur über Selbstausbeutung“, fasste ein Teilnehmer zusammen – kein Ziel, das dem DJV gefallen kann. Debattiert wurde durchaus kontrovers: Brauchen Zeitungen eine öffentlich-rechtliche Finanzierung, ähnlich wie der Rundfunk sie über die Haushaltsabgabe erhält? Wenn aber Papier-Zeitungen immer weniger gekauft werden, sind sie nicht überflüssig? Wird die „Kostenlos-Mentalität“ im Internet wieder verschwinden?Die Arbeitsgruppe, die sich mit neuen Finanzierungsmodellen beschäftigte, kam zu dem Schluss: „Wir brauchen nicht über Modelle reden, die die Verlage retten, sondern über die Bezahlung für guten Journalismus“, sagte Landesvorstandsmitglied und FH-Professor Dr. Jörn Radtke. Denn dass die Gesellschaft Journalismus brauche und bereit sei, dafür zu bezahlen, hielten alle Teilnehmenden für ausgemacht. „Es braucht dazu ein einfach zu bedienendes, einheitliches System für das Bezahlen von Texten her, analog zu den Angeboten der Musikwelt“, forderte Vorstandsmitglied Andreas Olbertz.Aber muss ein Journalist alles können und bewältigen? Nein, befand die Gruppe: „Mikro-Verlage“ aus drei bis fünf Spezialisten für verschiedene Arbeitsgebiete könnten unternehmerisch agieren, sich als Qualitäts-Anbieter vermarkten und Aufträge besser akquirieren. Der DJV könne bei der Gründung der „Mikro-Verlage“ helfen.Eine zweite Arbeitsgruppe befasste sich mit den Arbeits- und Rahmenbedingungen im Journalismus von heute und morgen. Statt einmal am Tag eine Zeitung herzustellen, werde heute Berichterstattung erwartet, die „schneller und dichter dran“ ist, sagte Vorstandsmitglied Torsten Philipps. Aber das Risiko liegt auf der Hand: Die Ergebnisse könnten oberflächlicher werden, die Qualität leiden – „genau da dürfen die Journalisten aber keine Abstriche machen“. Hier gelte es, sich deutlich gegen die so genannten Leserreporter auszusprechen, die Verlage gern einsetzen, auch mit dem Ziel der Gewinnoptimierung.Um die Qualität zu halten, müsse bei der Ausbildung angesetzt werden. „Volontäre dürften nicht als billige Arbeitskräfte benutzt werden“, so die Arbeitsgruppe einhellig. Jeder künftige Journalist müsse eine fundierte Ausbildung erhalten, in der Zeit für Recherche, Blatt- und Textkritik, aber auch Wertediskussionen bleibt. Eine Reduzierung auf das klassische Volontariat als einzig richtigen Weg wollte niemand in der Arbeitsgruppe sehen. Verlage täten gut daran, auch Freien Fortbildungsangebote zu machen – allein, um sie angesichts des Fachkräftemangels zu halten.In den Medienhäusern, Verlagen wie Sendern, gehe der Trend zu einer noch stärkeren Trennung zwischen Tisch- beziehungsweise Produktionsredakteuren und Reportern. Damit gehe oft Aufteilung zwischen Festen und Freien einher. Die Kluft zwischen beiden Gruppen dürfe aber nicht weiter aufbrechen. Dabei liege Solidarität statt Konkurrenz im Interesse aller, betonte Sönke Rother, Leiter der Vorbereitungsgruppe der Zukunftswerkstatt: „Wir brauchen mehr Kommunikation, mehr Verständnis und den Blick über den eigenen Tellerrand.“ Beim nächsten Termin zur Zukunft des Journalismus soll es um Qualität und die Entwicklung der Ausbildung gehen. DJV-Landesvorsitzende Karla Frieben-Wischer freute sich besonders, dass sowohl Nachwuchs-Kräfte wie langjährige DJV-Mitglieder an der Veranstaltung teilgenommen hatten: „Das Interesse zeigt, dass wir ein wichtiges Thema besetzen – diese Debatte wollen wir gern weiterführen.“Esther Geißlinger/Sönke Rother